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Das scheint nun dem heutigen Menschen mehr wie aus einem

Traume geredet. Ehe wir aber darüber urteilen, verfolgen wir Ecke-

harts Gedanken noch weiter. —

Von dieser seiner Lehre wird erst eine andere Stelle aus der be-

rühmten 56. Predigt Eckeharts völlig klar:

»Alle crêatûren die smackent irme ûzern menschen als crêatûren, als wîn

unde brît unde fleisch. Aber mînen inren menschen ensmacket niht als crêa-

türe, mer: als gâbe gotes. Aber mîn innerster mensche ensmacket sie niht alse

gâben gotes, mêr: als ie und iemer.“

1

Hier spricht Eckehart seine ganze Erkenntnistheorie aus. Der

Schlüssel liegt in den leicht zu übersehenden, bisher nicht beachteten

Worten: „als je und je (von jeher) mein". Damit ist nichts Gerin-

geres gesagt, als daß der Mensch in der T e i l n a h m e a m

g ö t t l i c h e n L e b e n d i e g a n z e S c h ö p f u n g i n s i c h

a u f n e h m e ! Doch greifen wir damit unserer späteren Erklärung

vor.

Wir dürfen sagen: Eckehart unterscheidet in den angeführten

Worten dreierlei Erkenntnis:

(1)

Die zuletzt genannte höchste, die mystische, welche er, wie

schon angedeutet, aus dem M i t l e b e n d e s M e n s c h e n i n

G o t t entspringen läßt, daher „als von jeher mein“ erklärt.

(2)

Die weniger hohe, aber doch im Transzendenten wurzelnde

Erkenntnis des „inneren Menschen“, das ist der Vernunft,-welche

eine E r k e n n t n i s d e r I d e e n w e l t b e d e u t e t . Sie ist ein

inneres Spüren des göttlichen Grundes der Dinge, eben der Ideen —

die „Kreaturen als Gabe Gottes". Wir dürfen hinzufügen, dies sei

die Erkenntnis auf Grund von E i n g e b u n g e n , wie sie in den

schöpferischen Begriffen von Wissenschaft und Kunst gegeben sind.

(3)

Die äußere oder s i n n l i c h e E r k e n n t n i s , welche die

Kreaturen „als Wein und Brot und Fleisch“ nimmt.

Wir ersehen aus dieser Stufenleiter schon jetzt, daß das Erkennen

für Eckehart nicht bloß ein seelischer Vorgang unter anderen im

menschlichen Geiste war, sondern ein innerer L e b e n s v o r -

g a n g , auf welchem das Wesen des Geistes so recht beruht. Doch

1

Pf. 180, 30: Alle Kreaturen schmecken als Kreaturen (nur) dem äußeren

Menschen, wie Wein, Brot und Fleisch. Meinem inneren Menschen aber schmeckt

nichts als Kreatur, sondern als Gabe Gottes. Mein innerster Mensch aber

schmeckt sie (auch) nicht als Gaben Gottes, sondern als ewig.