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allerdings zugleich ausfließend, während das göttliche Wort im
innergöttlichen Leben verharrt (im trinitarischen Kreislaufe).
Nun ist es verständlich, wieso Eckehart sagen kann, der inne-
bleibende Teil der Seele (das Fünklein) „wirkt mit Gott ein Werk“.
Denn er hat — als innebleibend — ein Mitleben mit Gott; er
schmeckt Gott nicht von außen, nicht als sinnlich empfindbare
„Gabe“, vielmehr: Gott ist von jeher sein, ist „je und je“ sein! Was
Gott wirkt und erkennt, wirkt und erkennt auch der innebleibende
Teil der Seele.
Die Erde und Himmel übersteigende Kühnheit dieses Gedankens
muß in Erstaunen setzen. Der nüchterne Sinn des neuzeitlichen
Menschen, der auf äußere Empirie eingestellt ist, wird das schlecht-
hin ablehnen, dennoch wird niemand leugnen können, daß Ecke-
harts Gedanke aus den tiefsten Tiefen des Erlebnisses geschöpft ist.
Von hier aus begreift man auch erst ganz die an Wunder grenzen-
den Ausbrüche des Meisters.
„Gott ist mein Vaterland.“
„Alles, was Gott je seinem eingeborenen Sohne gab, das hat er mir gegeben.“
Im inneren Menschen wohnt „Gott, dessen Natur es ist, immer und allein ...
im Innersten zu sein. Wenn aber Gott, dann sicher auch alles; denn in Gott ist
alles. . .. bemerke, daß der innere Mensch auf keinerlei Weise in der Zeit oder
an einem Orte ist, sondern ganz in der Ewigkeit. Dort wird Gott geboren, dort
wird er gehört, dort ist er, dort spricht Gott und Gott allein.“
1
Hier zittert überall noch die Erschütterung des gewaltigen Er-
lebnisses nach. Der biblischen Lehre, daß wir nicht nur Gottes Ge-
schöpfe, sondern göttlichen Geschlechtes seien, und nicht nur Söhne,
sondern auch Erben, gibt hier Eckehart ekstatischen Ausdruck. Wie-
der müssen wir an den Begriff des Fünkleins erinnern, welches „gote
also sippe“ ist und das Wesen Gottes selbst berührt. Es heißt nicht
zufällig „Fünklein", denn es ist göttliches Licht. Ohne diesen Begriff
sind Stellen wie die obigen nicht voll zu verstehen.
„Sol got gesehen werden, daz muoz geschehen in elme liehte, daz got selber
ist.“
2
Hiermit sind wir schon bei dem Hauptgedanken der Eckeharti-
schen Erkenntnistheorie angelangt, den er in den Worten ausspricht:
„D â w i r t g o t m i t g o t e b e k e n n e t i n d e r s ê l e.“
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1
B 193.
2
Pf. 80, 23: Soll Gott gesehen werden, so muß es in einem Lichte geschehen,
das Gott selbst ist. [Dieses ist ein Licht der Gnade],
3
Pf. 37, 31: Da wird Gott durch Gott in der Seele erkannt.