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alle krêatûren gegozzen hât, diu enist niht ein ougenblic gegen der vreude, der
aller minsten, die der mensche in eime vorsmacke des ewigen lebens hat.“
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Eckehart sagt hier deutlich, die mystische Erfahrung sei eine
V o r w e g n a h m e der ewigen Seligkeit. So auch an mehreren
anderen Stellen, z. B. in der zweifellos echten Predigt 69 bei Pfeiffer:
„Swenne ich gedenke ûf gotes rîche, daz tuot mich dicke sweigen, sîner gôz-
heit wegen; wan gotes rîche daz ist got selbe mit allem sînem rîchtuome. Gotes
rîche ist kein kleine dinc: der alle weiten bedêhte, die got machen möhte, daz
ist gotes rîche niht. In welher sêle gotes rîche erschînet unde diu gotes rîche
erkennet, der darf man niht predien noch lêren: si w i r t d a v o n g e l ê r e t
u n d e v e r s i c h e r t d e s e w i g e n l e b e n s.“
2
„Diu
vruht des Werkes . .. belîbet in dem geiste . . . unde wirt als lützel ze
nihte als lützel dem geiste sîn wesen ze nihte wirt.“
3
Bedürfte es noch weiterer Zeugnisse, so wäre es ein Wort ganz
anderer Art. Eckehart sagt nämlich, daß auch der zur mystischen
Vollkommenheit nicht gelangte Mensch selig werde:
„Nû sprechent etliche liute; ich hân mîne friunde lieber, von den mir guot
geschiht, dan einen andern menschen. . . . ime ist unreht, ez ist unvolkomen. Doch
muoz manz lîden, alse etlîche liute, die varent über sê in h a l b e m w i n d e
u n d e k o m e n t ü b e r . Also ist den liuten, die einen menschen lieber hânt
dan den andern, daz ist nâtûrlîch.“
4
Daß man auch mit halbem Winde hinüberkomme, ist als eine
wichtige Äußerung Eckeharts festzuhalten!
1
Pf. 380, 11: Denn wer ein lauteres Mitwissen (Gottes, Gemeinwissen mit
Gott) hat, der ist sicher, daß alles anfallende (irdische) Leid in reine ewige Freude
verwandelt werden wird. Von der unsagbaren Freude, die man im ewigen Leben
ewiglich genießen wird, hat der Mensch einen Vorgeschmack; und je mehr der
Mensch hier bereits davon gewinnt, umso seliger wird er dann im ewigen Leben
sein. Wäre alle Freude, die Gott den Geschöpfen eingeflößt hat, auf einen Punkt
versammelt, das wäre nicht einmal ein Funke — selbst der geringste — der
Freude, die der Mensch im Vorgeschmack des ewigen Lebens hat.
2
Pf. 221, 21: Wenn ich über Gottes Reich nachdenke, dann läßt mich das oft
verstummen ob seiner Größe. Denn „Gottes Reich“, das ist Gott selber mit
seinem ganzen Reichtum. „Gottes Reich“ ist kein kleines Ding: Stellte man sich
alle Welten vor, die Gott erschaffen könnte: das ist Gottes Reich nicht. In wel-
cher Seele „Gottes Reich" sichtbar wird und welche „Gottes Reich“ erkennt, der
braucht man nicht zu predigen noch Belehrung zu geben: Sie wird dadurch be-
lehrt und des ewigen Lebens versichert.
3
Pf. 73, 31: Die Frucht des Werkes bleibt im Geiste und wird ebensowenig
zunichte, wie dem Geiste sein Sein zunichte wird.
4
Pf. 310, 16: Nun sagen manche Leute: Ich habe meine Freunde, von denen
mir Gutes geschieht, lieber als einen anderen Menschen. Das ist unrecht; es ist
unvollkommen. Doch muß man’s hinnehmen, so wie manche Leute übers Meer
fahren mit halbem Winde und auch hinüberkommen. So steht es mit den Leu-
ten, die den einen Menschen lieber haben als den anderen; das ist natürlich. (Pre-
digt 12 bei Quint — durch die Rechtfertigungsschrift als echt bezeugt.)