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greift . . ." Sodann fährt er fort: „Demnach ergreift der Wille eine Sache (rem)

zuerst in Form ihrer stärkeren Verhüllung in das Gute, der Intellekt aber be-

greift das Seiende (ens) früher als das Wahre, aber trotzdem ist die Wahrheit

mit dabei. Hieraus wird der V o r r a n g (eminentia) des Intellekts deutlich und

folglich auch, daß die S e l i g k e i t [die ein Erkennen Gottes ist

1

], b e s s e r

i m A k t e d e s I n t e l l e k t e s a n g e s e t z t w i r d.“ Diese eindeutige Er-

klärung wird nicht dadurch entwertet, daß Eckehart unmittelbar fortfährt:

„Aber weil die Hülle weggenommen wird, ist sie vielleicht besser in dem b l o -

ß e n W e s e n der Seele anzusetzen.“

2

Als eine wohl gegen D u n s S c o t u s selber (der den Vorrang

des Willens vor der Erkenntnis behauptete) gerichtete Stelle darf

man die folgende 41. Predigt bei Pfeiffer betrachten:

„Der kerne des ersten begriffes unde der ewiger sêlikeit lît an b e k e n t -

n ü s s e. Ein meister sprach ze Paris unde ruofte unde donde unde wolte wîsen,

daz des niht enwêre. Do sprach ein ander meister, wol bezzer .. . : meister, ir

ruofet harte vaste .. . Unser herre sprach ,daz ist êwic leben, daz si dich be-

k e n n e n einen gewâren got‘.“

3

Die zuvor angeführten Worte vom „bloßen Wesen der Seele“

deuten auf das Fünklein. Denn dieses ist das Organ der Gottes-

erkenntnis. Die „Vernünftigkeit", die höhere Erkenntnis, ist bei

Eckehart stets jene Seelentätigkeit, die zur Gotteserkenntnis über-

leitet. So auch:

„Vernünftigkeit zeucht Gotte ab das Fell der Güte [die dem Willen angehört]

und nimmt ihn bloß, da er entkleidet ist von Güte, Wesen und von allen Na-

men."

4

Überhaupt gilt es, das schon früher berührte überstoffliche, über-

zeitliche Wesen der Vernunft festzuhalten:

„Sage, daß das Wesen der Seele irgendwie (quomodo) ferne ist von dieser

Welt, weil es . .. oberhalb des Intellekts und des Willens ist. Obwohl derartige

Vermögen einen erstaunlichen Vorrang (vor den niederen Vermögen) haben, so

1

Philipp Strauch: Paradisus anime intelligentis, in: Deutsche Texte des Mit-

telalters, Bd XXX, Berlin 1919, S. 94, 25.

2

B 114 f.

3

Pf. 138, 15: Der Kern des höchsten Begriffes und der ewigen Seligkeit liegt

im E r k e n n e n . Ein Meister sprach zu Paris und schrie und donnerte und

wollte erweisen, daß dies nicht stimme. Darauf sagte ein andrer Meister wohl

in besserer Weise: Meister, ihr schreiet gar sehr ... Unser Herr sprach ,Das ist

das ewige Leben, daß man dich allein als wahren Gott e r k e n n t “ .

Ober die Echtheit vgl. Philipp Strauch: Paradisus anime intelligentis, in:

Deutsche Texte des Mittelalters, Bd XXX, Berlin 1919, S. 24.

4

Franz Jostes: Meister Eckhart und seine Jünger, Ungedruckte Texte zur

Geschichte der deutschen Mystik, in: Collectanea Friburgensia Fase. IV, Freiburg

in der Schweiz 1895, No. 31.