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E. Der Neoliberalismus
Der sogenannte Neoliberalismus ist keine geschlossene Richtung.
Zweifellos stellt die Lehre Euckens und seiner „Freiburger Schule“ die
wichtigste wirtschaftstheoretische Grundlage dar. Aber angesichts großer
innerer Spannungen wird die ganze Richtung ungemein vielgestaltig. Auch
das für die Wirtschaftspolitik wichtig gewordene Leitbild der sogenannten
sozialen Marktwirtschaft ist schwer eindeutig zu erfassen.
Außer Walter Eucken wird eine Reihe weiterer namhafter Verfasser
dieser Richtung zugezählt: Franz Böhm, Wilhelm Röpke; im mehr
soziologischen Bereiche Alexander Rüstow, Alfred Müller- Armack und
andere. In jüngster Zeit sind der ganzen Richtung gegenüber gewichtige
Vorbehalte geäußert worden: so von Egon Edgar Nawroth, Fritz Ottel,
Wilhelm und Clemens-August Andreae und anderen.
F.
Die Theorie der Verhaltensweisen
Schon bei Vilfredo Pareto, dann in der Entfaltung der Lehre von den
Marktformen zwischen Konkurrenz und Monopol sowie bei Heinrich von
Stackeiberg und bei Walter Eucken sind Ansätze zu einer Lehre von den
Verhaltensweisen der Wirtschafter enthalten.
1.
G r u n d l e g u n g
a.
Arthur Lyon Bowley
Besonders verweist Arthur Lyon Bowley
1
auf die Bedeutung der
Erwartungen jedes Anbieters in bezug auf die Reaktionen der Wettbewerber
bei Änderungen des Preises im Dyopol beziehungsweise Oligopol.
b. Ragnar Frisch
An Arthur Lyon Bowley anknüpfend hat Ragnar Frisch
2
eine Tabelle von
möglichen Verhaltensweisen entworfen.
Für diese Sicht der Dinge ist bedeutsam, daß unter den Verhaltensweisen
nicht nur jene bezüglich der Preise aufscheinen, sondern auch alle übrigen
Wirkungs- und Gegenwirkungsmöglichkeiten und die auf ihnen aufbauenden
Erwartungen, also alle „Aktions- und Erwartungsparameter“ der beteiligten
Wirtschaftssubjekte,
auch
die
Formen
der
sogenannten
„non-price-competition“ (etwa die Wer
1
Arthur Lyon Bowley: The Mathematical Groundwork of Economics. An
introductory Treatise, Oxford 1924, deutsch: Leipzig 1934.
2
Ragnar Frisch: Monopole-Polypole, la notion de force dans l’éco- nomie,
in: Festschrift für Harald Westergaard, Kopenhagen 1933.