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n i m m t e r j e n e n A u f s c h w u n g d e r S e e l e , durch den

er seine Seinsminderung wett macht. Der letzte Sinn dieser Lehre

ist aber, wie fast stets bei Eckehart, die mystische Wiedergeburt.

Wir erinnern an das Wort:

Erlöst werden wir „durch das wahre unbewegliche, einfache Jetzt, das die

Ewigkeit ist..

„Die Sünde wird keinem nachgelassen, außer er wird zugleich ein Gotteskind:

durch Kindschaftsannahme wird sie ihm nachgelassen“

2

— demnach durch jene

innere U m w a n d l u n g , welche in der mystischen Einung erlangt wird.

„Soweit die Sonne aufbricht, da ist es Morgenlicht, danach leuchtet sie mehr und

mehr und der Mittag kommt; so bricht auch das göttliche Licht auf in der

Seele, mehr und mehr durchleuchtend die Kräfte der Seele, bis ein Mittag

wird.“

3

Hier tritt also der zweite oben angeführte Grundsatz in Kraft,

daß das Leben in Gott die Wurzel allen Übels t i l g e . Und so gilt,

weil dann die Seinsminderung von Sünde und Leiden überwunden

ist, was Eckehart in Anknüpfung an den Satz, daß Leiden in Gott

Wonne sei, sagt:

„Unt dar umbe, weêre uns reht, sô wêre ouch uns lîden niht lîden, ez wêre

uns ein wunne unt trôst.“

4

Eckehart fordert so den höchsten Aufschwung vom Menschen.

Was in Gott bei unserm Leiden vorgeht, ist einerseits dadurch be-

stimmt, daß in Gott alles göttlich und nicht kreatürlich, vielmehr

immer nur lauteres Sein ist (wie oben angeführt); andererseits, daß

Gott, wenn er den Menschen bereit findet, wirken muß in der Seele:

„.. . wenne dich got bereit vindet, sô m u o z er wirken unde sich in dich

ergiezen [in die Seele], ze glîcher wîse, als sô der luft lûter unde reine ist, sô

muoz sich diu sunne ergiezen und enmac sich des niht enthalten.“

5

Eckehart ging hier nach Entsprechung der Ideenlehre, und zwar

klar ersichtlich nach dem von ihm oft angeführten Beispiele der

Gerechtigkeit, vor:

Es „steht fest, daß das Werk der Gerechtigkeit, außer dem und neben dem

sie nicht wirken kann, gerecht ist; das Unrecht aber ist in allem . .. der Gerech-

1

B 159.

2

Otto Karrer: Meister Eckhart, Textbuch aus den gedruckten und ungedruck-

ten Quellen, München 1923, S. 100.

3

Otto Karrer: Meister Eckhart, Textbuch aus den gedruckten und ungedruck-

ten Quellen, München 1923, S. 101.

4

Pf. 442, 14: Und darum, wäre es recht um uns bestellt, so wäre auch für

uns Leiden nicht Leiden; es wäre uns eine Wonne und ein Trost.

5

Pf. 27, 26: ...wenn dich Gott bereit findet, so muß er wirken und sich

in dich ergießen in der gleichen Weise, wie, wenn die Luft rein und klar ist, die

Sonne sich ergießen muß und sich dessen nicht enthalten kann.