Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7985 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7985 / 9133 Next Page
Page Background

233

Faust, der sich sogar mit dem Teufel verbündet, zuletzt aber weise

und selig wird.

Schließlich ist dieser Gedanke derselbe wie die „ g l ü c k l i c h e

S c h u l d “ (felix culpa) des Augustinus, die sogar in die katho-

lische Liturgie überging!

Daher sagte Eckehart geradewegs:

„Jâ, der reht wêre gesetzet in den willen gotes, der solte niht wellen, die

sünde da er în gevallen was, daz des niht geschehen wêre; . . . sunder als verre

du da mite bist gebunden zuo mêrre minne unde bist dâ mite genidert unde

gedêmüetiget. . .“

1

F.

S i t t l i c h k e i t u n d L e b e n

Im Zusammenhange der mystischen Erkenntnislehre trat schon

der hohe Lebensbegriff hervor, welcher der Eckehartischen Philo-

sophie eigen ist. Es ist natürlich, daß der Lebensbegriff auch in der

Sittenlehre grundlegende Bedeutung hat. Eckehart sagt:

: wêger were ein lebemeister denne tüûsent lesemeister.“

2

Das Leben der Seele ist göttlichen Ursprungs:

„Alse diu sêle dem lîbe wesen gibet, alse ist got der sêle leben.“

3

Eckehart unterscheidet also grundsätzlich das Leben des Geistes

oder der Seele vom Leben des Leibes. Er bestimmt auch wie Platon

das Leben als Selbstbewegung (was nach ihm Fichte als „Selbst-

setzung“ lehrte):

„Waz ist min leben? daz von innen bewegt wirt von im selber. Daz enlept

nit, daz von usen wirt bewegt.“

4

Aus dieser Selbstbewegung und Selbstsetzung folgert Eckehart

wieder großartigerweise eine gewisse innere Selbstgenügsamkeit (wie

wir es nennen dürfen), ein „sunder warumbe“:

1

Pf. 557, 8: Ja, der sich recht in den Willen Gottes begeben hätte, der sollte

nicht wünschen, daß die Sünde, in die er gefallen war, nicht geschehen wäre; . . .

nämlich insoferne, als du damit zu größerer Liebe verpflichtet bist und daß du

dadurch erniedrigt und gedemütigt worden bist.

Eine gründliche Erörterung der theologischen Streitfragen, die sich hier er-

geben, unternahm Otto Karrer in seinem wiederholt angeführten Buche „Meister

Eckehart“, München 1926, S. 327 ff.

2

Pf. 599, 19: Besser wäre ein Lebemeister als tausend Lesemeister.

3

Pf. 109, 32: So wie die Seele dem Leibe Wesen verleiht, so ist Gott der Seele

Leben.

4

Q I 80, 19: Was ist mein Leben? Das, was von innen her, von selber be-

wegt wird. Es lebt nicht, was von außen her bewegt wird.