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232

M o o r , sogar G o e t h e s M e p h i s t o bieten deutliche Bei-

spiele.

Eckehart trägt hier nicht abgezogene Gedanken vor, was er sagt,

stammt aus einem wahren, tiefen Mitfühlen mit dem gebrechlichen

Menschen.

„Sit des gewis bi der ewigen wârheit, ... er [Gott] enmöhte dem sünder niht

wirs getuon weder mit helle noch iender mite denne er dâ mite tuot, . . . daz

er niht über in verhancte sô grôzen jâmer, daz er niht sünden möhte. Unde

gebe im got wê aller der weite, dannoch möhte in got niht mê slahen dan er

da mite geslagen ist, daz er sündet.“

1

Gott straft nicht, aber menschliche Strafe erscheint dem Meister

wohl unvermeidlich.

„.. . : ein senfter gotlîcher ernst sol liuhten ûz frumen liuten mit strâfenne.“

2

Aber wer „umbe gerehtikeit“

3

eine Strafe auf sich nimmt, würde

„âne mitel sêlic“

4

.

Wie Gott lieber Großes gibt als Kleines, so v e r g i b t G o t t

a u c h l i e b e r G r o ß e s a l s K l e i n e s

5

. Das erscheint über-

kühn, und doch schöpft Eckehart die Berechtigung dazu wieder aus

seiner Lebens- und Menschenkenntnis. Er sagt:

„.. . und ouch noch erfrâget man selten, daz diu liute koment zuo grôzen

dingen, sie sîen ze dem ersten etwaz vertreten.“

6

Eckehart denkt hier vor allem an die Bekehrungsgeschichten von

Heiligen und an die Apostel, besonders wohl an die geschichtliche

Gestalt des Apostels Paulus. Damals bot Wolfram von Eschenbachs

Parzifal ein Beispiel aus der Dichtkunst, heute böte es Goethes

1

Pf. 277, 14: Bei der ewigen Wahrheit, seid dessen gewiß: . . . E r (Gott)

kann dem Sünder nicht mehr weh tun, weder mit der Hölle noch mit sonst

irgend einer Strafe, als damit, daß er über den Sünder nicht mehr so großen

Jammer verhänge, damit dieser nicht mehr sündigen könne (denn das Leiden

würde ihn läutern, das Sündigen den Boden der Reue bereiten). Und doch: Gäbe

ihm (dem Sünder) Gott alles Weh der Welt, Gott könnte ihn dennoch nicht mehr

schlagen, als er dadurch geschlagen ist, daß er sündigt.

2

Pf. 667, 3 (Spruch 114; allerdings nicht sicher, ob echt): Ein sanfter gött-

licher Ernst soll aus rechtschaffenen Leuten strahlen, die zu bestrafen haben.

3

Pf. 577, 17: um der Gerechtigkeit willen.

4

Pf. 577, 21: ohne Mittel (oder ohne Mittler oder Mittlung) selig.

Ähnlich Pf. 427, 39.

5

Pf. 135, 20.

6

Pf. 557, 35: Und immer noch hört man selten, daß Menschen zu großen

Dingen gelangen, die nicht vorher etwas begangen hätten (die Sünde gekostet

hätten).