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226

„Alles wird neu, gut, rein, lauter und heilig, indem es sich Gotte zukehrt.“

1

Sollen wir diese Lehre Eckeharts auf ihren letzten Kern bringen,

so heißt das: Das Leiden ist eine Seinsminderung; alle Seinsmin-

derung ist nur zu überwinden durch innere Gotteserfahrung, die

Erneuerung, Erlösung ist; in dieser allein ist die W a h r h e i t ;

die Wahrheit allein gibt F r e i h e i t !

Nur die Wahrheit und die innere Freiheit b e f r e i t , e r -

l ö s t .

„Der Intellekt, in dem die Wahrheit ist, ist f r e i.“

2

Mit dieser unserer Auffassung der Lehre Eckeharts stimmt es

auch allein überein, daß er andererseits die r e i n i g e n d e , v e r -

v o l l k o m m n e n d e K r a f t d e s L e i d e n s lehrt.

„Daz snelleste tier, daz iuch treit ze vollekomenheit, daz ist lîden, .. .“

3

.

Allerdings, so müssen wir hinzufügen, nicht Leiden als Seinsmin-

derung, sondern nur jenes Leiden läutert, erlöst demnach, welches

der Mensch in einem freien Akt auf s i c h n i m m t ; welches

ihm also auf der anderen Seite zu einem inneren A u f s c h w u n g e

verhilft, zur Stärkung am Sein.

Was ist aber f r e i ?

„Frier wille ist ein smackendiu kraft götlîches guotes, daz ir [der Seele] diu

Vernunft gewîset hât.“

4

Und die Vernunft bestimmt Eckehart in diesem Zusammenhange

als Kraft der inneren Gotteserfahrung (wie früher die Erkenntnis).

„. .. , wan diu Vernunft ist diu hoehste kraft der sêle, mit der diu sêle ein

îngrîfen hât in daz götlîche guot.“

5

Die aus solcher Quelle kommende Freiheit allein bewirkt und

kann es bewirken, daß unser Leiden nicht mehr ein Erleiden, son-

dern ein Tun wird:

„. .. weil wir durch Leiden kein Verdienst erwerben, es w a n d l e s i c h

d e n n i n d i e K r a f t d e s W i r k e n s , i n d e m d e r L e i d e n d e e s

a u f s i c h n i m m t.“

6

1

B 149.

2

B 160.

3

Pf. 492, 23: Das schnellste Roß, das euch zur Vollkommenheit trägt, ist

Leiden.

4

Pf. 480, 31: Der freie Wille ist die Schmackkraft eines göttlichen Gutes, das

die Vernunft der Seele gewiesen hat.

5

Pf. 480, 29: ... denn die Vernunft ist die höchste Kraft der Seele, mit der

diese in die göttliche Substanz zu dringen vermag.

0

B 104.