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225

„Ich trauere wie über den Verlust eines Schatzes, wie über Krankheit, über

Durst, Hunger, Kälte, und so über jedes Einzelne, weil ich nicht-gesund, nicht-

reich, nicht-satt, nicht-erwärmt bin.“

1

Auf die leibliche Lebenskraft läßt sich das allerdings nicht un-

vermittelt anwenden, da der geistige Seinsmangel, das sittliche

Übel, nicht unmittelbar mit dem leiblichen zusammenstimmt und

z. B. der Böse alt werden kann, während der Gute jung stirbt. Auf

Fragen dieser Art geht Eckehart allerdings meines Wissens nicht ein.

Er bleibt im Grundsätzlichen.

E r l ö s u n g

Aus dieser ontologischen Begründung des Unvollkommenen, des

Bösen und des Leidens, die alle als Seinsminderung erklärt werden,

folgert Eckehart endlich auch das Wesen der Erlösung und Be-

freiung. In einer lateinischen Predigt fragt Eckehart:

„. . . wodurch werden wir befreit werden? . . . Sage [so merkt sich Eckehart in

dem Predigtentwurf vor] erstens, daß wir befreit werden durch das wahre, un-

bewegliche, einfache J e t z t , das die Ewigkeit ist [also das überzeitliche Jetzt

der mystischen Erfahrung] im Vergleiche mit der sich alles mühelos verachten

läßt. Zweitens werden wir befreit durch das W a h r e , das heißt durch die

Wahrheit.“

2

Ferner:

„Dabei bemerke, auf welche Weise die Wahrheit befreit, einmal weil alles,

was . . . schön, gut und dergleichen ist, auf Grund der Wahrheit so beschaffen

ist; weiter, weil alle Vermögen der Seele auf eine gewisse Weise begrenzt und ge-

wissermaßen g e f a n g e n sind von ihren Gegenständen [also determiniert sind!].

Der I n t e l l e k t d a g e g e n , i n w e l c h e m d i e W a h r h e i t i s t ,

i s t f r e i.“

3

E r l ö s u n g f ä l l t a l s o m i t i n n e r e r F r e i h e i t z u -

s a m m e n ! Diese, das ist Eckeharts eigentlichste Meinung, fällt

mit dem Gotterlebnis, mit der Geburt Gottes in der Seele, der

mystischen Wiedergeburt, zusammen. Diese allein ist auch die

W a h r h e i t ! Darum ist auch Wahrheit und Seligkeit zuletzt

dasselbe:

„... weil das Seiende (ens), das entblößt ist von jeder beschränkenden und

unserer Denk- und Auffassungsweise entsprechenden Idee, uns Heil und Selig-

keit bringt, indem es ewiges Leben, Frucht und Vollendung der Seligen schenkt.“

4

Erlösung ist also zuletzt: Vervollkommnung, Gottähnlichkeit:

1

B 165.

2

B 159.

3

B 160.

4

B 161.