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231

tigkeit fremd. . . ; wie auch der gerechte Mensch nicht ungerecht wirken kann,

.. . sofern er gerecht ist.“

1

Wer um der Gerechtigkeit willen leidet, leidet nicht, so auch wer

um Gottes willen leidet. Und wie die Gerechtigkeit zuvor verletzt

wurde, zuvor leidet, ehe der Gerechte um ihretwillen leidet, so

auch Gott. Daher kann Eckehart sagen:

„.. . : ist, daz got vor lîdet ê denne ich lîde, unt lîde ich dur got, gewêrlîchen,

so wirt mir lîhte ein trôst unt ein fröude allez mîn lîden, wie grôz unt manic-

valtic daz ist.“

2

Hier ist die Lehre von der Fruchtbarkeit des Leidens auf eine

Höhe gebracht wie sonst nirgends in der gesamten Geistesgeschichte.

E.

S t r a f e

Wie jeder Begriff in der Sittenlehre Eckeharts, so ist auch sein

Begriff der Strafe im Aufblick zum Höchsten gebildet.

Gott straft nicht, Gott zürnt nicht. Was man Gottes Zorn nennt,

ist eher seine Liebe zu nennen. Worum Gott leid ist, ist nichts an-

deres als

„. . . die Verlust unser eigener sêlekeit, und er suochet des sînen niht; als leit

ist got, daz wir tuon wider unser sêlikeit.“

3

Gott straft nicht:

„.. . daz dû übels tuost, daz ist dîn schade alzemâle und ist dir wê genuoc.“

4

Das geht auch aus Eckeharts Lehrbegriff der Sünde als einer

Seinsminderung hervor: Mit der Sünde straft sich der Mensch selbst,

er mindert sein Sein.

Hier müssen wir bewundernd anhalten und ehrfürchtig den

Tiefblick des Meisters in das Wesen des Menschen ermessen. Ist es

doch das Absehen jedes großen Dichters und insbesonders des Dra-

matikers, den Missetäter als von Seinsminderung, von i n n e r e r

Strafe

ereilt

darzustellen!

S h a k e s p e a r e s

M a c b e t h ,

R i c h a r d I I I . u n d F a l s t a f f , S c h i l l e r s F r a n z

1

B 172.

2

Pf. 442, 23: Ist es so, daß Gott früher leidet als ich leide, und leide ich um

Gottes willen, wahrlich, so wird mir gar leicht zu Trost und Freude all mein

Leiden, wie groß und mannigfaltig es auch ist.

3

Pf. 54, 29: . . . d e r Verlust unserer eigenen Seligkeit, denn er sucht nicht

das Seine; so leid ist es Gott, daß wir unserer Seligkeit zuwider handeln.

4

Pf. 277, 13: . . .Daß du Übeles tust, das ist allemal dein Schade und es tut

dir selber weh genug.