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„. .. : vröwent iuch in sînem [Gottes] innigisten und in sînem êrsten, dâ
alliu dinc vreude von enpfâhent unde wesen nement.“
1
Das ist die große Lehre Eckeharts, im r e i n e n W e s e n d e s
G e i s t e s s e l b e r l i e g t d i e F r e u d e b e s c h l o s s e n :
„Diu fröide des herren daz ist der herre selber und enkein ander unde der
herre ist ein lebende wesende istige vernünftikeit, diu sich selber verstêt, und
ist und l e b e t s e l b e r i n i m s e l b e r . . . “
2
Der mystisch bestimmte Mensch lebt schon auf der Erde wie im
Himmel:
„. . . , waz wunders unde waz lebennes hât der mensche ûd der erden als in
dem himele in gote selben.“
3
„So wird die Erde schon hier zum Himmel und der Himmel zeichnet sich auf
der Erde ab und neigt sich herab.“
Im Erleben der Gottesgeburt in der Seele geht die Freude in
die höchste Lebensfülle über, in S e l i g k e i t :
„Der Zustand der Seligkeit ist durch die überragende Erhabenheit Gottes be-
stimmt, der den Seligen innewohnt.“
4
Vollkommene Freude ist uns aber hienieden nicht beschieden:
„Got der hât wol genüegde unde lust gegozzen in die crêatûre, aber diu
wurzele aller genüegde unde daz wesen aller lust daz hât got alleine in im selber
behalten.“
5
„. . ., dar umbe, daz er uns alleine zuo im haben wil unde ze nieman anders.“
6
Wir sehen hier E c k e h a r t u n d M o z a r t , den Künder
himmlischer Heiterkeit in seiner Tonwelt, nahe aneinandergerückt!
VII. Zum Beschlusse
Blicken wir zurück, so sehen wir in Meister Eckeharts Sittenlehre
eines der geschlossensten Lehrgebäude der Geschichte der Philoso-
1
Pf. 102, 7: Freuet euch an Gottes Innigstem und an seinem Ersten (das
heißt am Urgrunde), da, wo alle Dinge Freude empfangen und Wesen an-
nehmen.
2
Pf. 188, 28: Die Freude des Herren, die ist der Herr selber und kein an-
derer, und der Herr ist eine lebende, seiende, istige Vernünftigkeit, die sich
selber versteht, und ist, und selber in sich selber lebt...
3
Pf. 426, 33: Was hat der Mensch auf Erden an Wundern und an (wahrem)
Leben, wie (bei einem Leben) im Himmel in Gott selber!
4
B 132.
5
Pf. 148, 9: Gott, der hat wohl Genügen und Lust in die Kreaturen gesetzt,
aber die Wurzel alles Genügens und das Wesen aller Lust, die hat Gott alleine
bei sich behalten.
6
Pf. 148, 20: ... darum, weil er sich uns allein zu sich wünscht und zu nie-
mandem anderen.