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„Swer daz leben frâgete tûsent jâr: war umbe lebestû? solt ez antwürten, ez

spreche niht anders wan: ich lebe dar umbe daz ich lebe. Daz ist dâ von, wan

leben lebet ûzer sînem eigen: dar umbe lebet ez âne war umbe in dem, daz ez

sich selber lebet.“

1

Die Kraft zu diesem Erquellen aus Eigenem wurzelt aber in Gott,

wie wir schon früher hörten:

„Ist mîn leben gotes wesen, sô muoz daz gotes sîn mîn sîn unde gotes istikeit

min istikeit, .. ,“

2

.

„Was ist Leben? Gottes Wesen ist mein Leben. Dieser Lebens-

begriff gehört nicht nur der Metaphysik, er gehört auch der Sitten-

lehre an, denn er zielt zuletzt auf die Abgeschiedenheit. In ihr wird

erst das reinste Leben gelebt: Im Anschlusse an das oben angeführte

Wort über Lesemeister und Lebemeister sagt Eckehart:

„Solte ich einen meister suochen von der geschrift, den suohte ich ze Parîs

und in hoôhen schuolen . . . Aber wolte ich frâgen von vollekomenem lebenne,

daz kunde er mir niht gesagen. War solte ich denne gân? Alzemâle niergen

dan in eine b l ô z e l e d i g e n â t û r e : diu kunde mich ûzwîsen, . . ,“

3

.

Eckehart zieht also auf A b g e s c h i e d e n h e i t und auf die

Gottesgeburt in der Seele. Er fährt unmittelbar darauf fort:

„Liute, waz suochet ir an dem totem gebeine? War umbe suochet ir niht daz

lebende heiltuom, daz iu mac geben êwiges leben? Wan der tôte hât weder ze

gebenne noch ze nemenne.“

4

: swer hoôher dinge gert, der ist hoôch.“

5

Daher, je reineres, göttlicheres Leben der Mensch in sich erbildet,

umso mehr Lebenslust und F r e u d e erfüllt ihn:

1

Pf. 66, 17: Wer das Leben tausend Jahre lang fragte: ,Warum lebst du?“

und antwortete es, so spräche es nichts anderes, als: ,Ich lebe darum, daß ich lebe.

1

Das kommt daher, daß das Leben aus eigenem heraus lebt: Darum lebt es ohne

warum nur dadurch, daß es sich selber lebt.

2

Pf. 204, 20: Ist mein Leben Gottes Wesen, so muß das Gottes-Sein mein

sein, und Gottes Istigkeit meine Istigkeit.

3

Sollte ich einen Schriftgelehrten (Gottesgelehrten) suchen, den suchte ich in

Paris und auf den hohen Schulen. . . Aber möchte ich (einen solchen) über das

vollkommene Leben befragen, er könnte mir das nicht beantworten. Wohin

sollte ich denn (um Antwort) gehen? Nirgend anderswohin als zu einer b l o -

ß e n , l e d i g e n N a t u r : die könnte mich belehren. [Mit Natur ist wohl

„Zustand“ gemeint, insgesamt also die Abgeschiedenheit.]

4

Pf. 599, 26: Leute, was suchet ihr an totem Gebein? Warum sucht ihr nicht

das lebendige Heiltum, das euch ewiges Leben zu geben vermag? Denn der Tote

hat weder zu geben noch zu nehmen.

5

Pf. 603, 1: Wer hohe Dinge begehrt, der ist hoch.