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239

Da dies wesentlich von der mystischen Erkenntnis gesagt ist, ist

es auch mit der Abgeschiedenheitslehre unmittelbar verbunden:

.. je entblößter [im Sinne des Leerseins der Abgeschiedenheit] desto emp-

fänglicher."

1

Wie uns bekannt, fehlt es auch nicht an ausdrücklichen Erklä-

rungen, daß die Vollkommenheit des Menschen, gleichwie bei

Platon

2

, in der Verähnlichung mit Gott bestehe. Darum ist jede

Tugend ein „Schmuck der Gottförmigkeit des Menschen“

3

.

IL Die Wiederkehr in Gott

Die Verähnlichung mit Gott führt noch zu einem anderen my-

stischen Gedanken. In ihr ruht wohl der Sinn des Lebens, aber sie

wird erläutert und erweitert durch den Gedanken der Wiederkehr

der Seele in Gott. Gegen das Ende der 56. Predigt sagt Eckehart:

„Swenne ich kume wider in got, bilde ich da niht, sô ist min d u r c h -

b r e c h e n vil edeler danne mîn ûzfluz.“

4

Der Sinn des Lebens ist, daß sich der Mensch im Leben zu einem

höheren Wesen bilde, dadurch wird sein E i n g a n g i n G o t t

h e r r l i c h e r a l s s e i n A u s g a n g i n d i e W e l t w a r !

Um diese Gedanken Eckeharts vollständig zu würdigen, scheint

es mir, daß wir uns über zwei Fragen vorher klar sein müssen:

(1)

Welche Vorstellung hatte Eckehart von dem Zustande der Seele,

bevor sie „ausfloß“, das heißt in die Welt eintrat?

(2)

Wieweit gehört dazu, daß das „Durchbrechen“ edler sei als das

Ausfließen, ein vollkommenes Leben? Und in besonderem: wie-

weit gehört dazu die „ W i e d e r b r i n g u n g a l l e r

D i n g e “ (von der wir unten sogleich sprechen werden)?

Was die erste Frage betrifft, so gehört Eckehart zweifellos unter

die sogenannten Kreatianer, welche nämlich annehmen, daß nur der

Leib von den Eltern geschaffen (gezeugt) werde, die Seele aber von

Gott

5

. Wie auch Aristoteles lehrte, komme sie „von außen“ in den

1

B 105.

2

Theaitetos 176 b f.; Staat 613 b; Gesetze 716 d.

3

B 122.

4

Pf. 181, 13: Wenn ich wieder eingehe zu Gott und gehe ich den Bildern

der Welt nicht (mehr) nach, so ist mein D u r c h b r e c h e n zu Gott viel

edler als mein Ausfluß (mein Eintritt in die Welt).

5

Vgl. Pf. 205, 13.