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tica“ (1750—1758) eine Lücke im Gebäude der philosophischen
Wissenschaften. Die Ethik, sagt er, führe zum richtigen Wollen, die
Logik zum richtigen Denken, eine Wissenschaft des richtigen (schö-
nen) Empfindens, eine „Ästhetik“ — welches Wort er dafür erfand
— fehle aber (von griechisch
αϊσϋησις:
Empfindung, Wahrneh-
mung, Gefühl). Nach L e i b n i z nun, der dunkle und deutliche
Vorstellungen unterschied, bildete sich auf dem Übergange von den
dunklen zu den deutlichen Empfindungen „die ästhetische Vorstel-
lung, jenes Formgefühl, welches Leibniz die dunkle Perzeption der
Harmonie nannte
1
.“ Nach B a u m g a r t e n , der hier anknüpft,
ist Schönheit das sinnlich angeschaute Vollkommene. Daraus erklärt
sich der Name „Ästhetik“, welcher übrigens erst später durch Schil-
ler in Schwung kam. Das Schöne hat Beziehung auf das Gefühl, was
aber nicht im empiristisch-psychologischen Sinne von heute zu ver-
stehen ist, sondern in seiner Beziehung auf das Vollkommene. —
Baumgarten selbst konnte seine Ästhetik als Begriffsgebäude nicht
mehr vollenden.
Auf Baumgarten folgten Winckelmann und Lessing, die aber ihre
Aufgabe weniger vom kunstphilosophischen als vielmehr vom
kunstrichterlichen Standpunkte aus ergriffen
2
.
Johann Joachim Winckelmann
(1717—1768) wirkte auf seine
Zeit, „indem er auf die ureigene Schönheit der hellenischen Ideal-
welt hinwies und sie durch seine Forschungen dem verdorbenen
Geschmacke (jener Zeit) als das Spiegelbild des Wahren und Echten
zur lebendigen Anschauung ... brachte;... L e s s i n g wirkte,
indem er diese Wahrheit und Echtheit als ausschließliches Gesetz
des geistigen Lebens überhaupt, als ewige Forderung allgemein
menschlicher Würde und Reinheit hinstellte
3
.“
Winckelmanns Hauptsatz ist, „daß es eigentlich nur eine Kunst
gibt, nämlich die der alten Hellenen, und daß folglich, wer immer
1
Kuno Fischer: Geschichte der neuen Philosophie, Bd 3: Gottfried Wilhelm
Leibniz, Leben, Werke und Lehre, 5. Aufl., Heidelberg 1920, S. 522. - Vgl. auch:
Friedrich Überweg: Grundriß der Geschichte der Philosophie, bearbeitet und her-
ausgegeben von Max Heinze, Teil 3, 8. Auf!., Berlin 1896, S. 200 ff.
2
Das Folgende über Winckelmann und Lessing wesentlich nach dem treff-
lichen, zu wenig geschätzten Werke von Max Schasler: Ästhetik als Philosophie
des Schönen und der Kunst, Teil 1, Grundlegung, Kritische Geschichte der Ästhe-
tik, Abteilung 1, von Plato bis zur Gegenwart, Bd 1, Berlin 1872, S. 381 ff.
3
Max Schasler: Kritische Geschichte der Ästhetik, ..., S. 378.