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in der Kunst etwas Großes leisten wolle, aus der Quelle der antiken

Kunst schöpfen müsse

1

.“ — Ein Murilloscher Betteljunge z. B.

wäre für Winckelmann weder kunstschön noch naturschön, da

Winckelmann das Schöne nicht im Sinne des Charakteristischen,

sondern stets im idealen Sinne versteht. Winckelmann stellt den

Umriß und die Zeichnung über die Farbe; ebenso Lessing.

Für Winckelmann war die P l a s t i k das Ideal der Kunst und

maßgebend für alle anderen Künste. Schönheit des Ausdrucks und

Haltung ist ihm das „allgemeine Kennzeichen der griechischen Mei-

sterwerke“. Die Gesamtwirkung soll sein: „ e d l e E i n f a l t “ u n d

„ s t i l l e G r o ß e“. Schasler bemerkt dazu: „... eine Charakteri-

stik, die gleichsam alle Zeit der typische Ausdruck für die Wirkungs-

weise der Antike geworden ist

2

.“ Winckelmann geht von der

Schönheit der menschlichen Gestalt aus. Schönheit ist ihm die Har-

monie der räumlich-stofflichen Formen; über der Harmonie steht

dann noch die „edle Einfalt“ und „stille Größe“. Die Schönheit

fällt ihm „nicht unter Zahl und Maß

3

.“

Winckelmann fand die wahre Würdigung erst durch Goethe und

Schelling. G o e t h e teilte im wesentlichen Winckelmanns Ansich-

ten. S c h e l l i n g feierte Winckelmann in der Rede „Über das

Verhältnis der bildenden Kunst zur Natur“:

„Heilig wie das Gedächtnis allgemeiner Wohltäter bleibe uns sein Andenken!

Er stand in erhabener Einsamkeit, wie ein Gebirge durch seine ganze Zeit; kein

antwortender Laut, keine Lebensregung, kein Pulsschlag im ganzen weiten Reiche

der Wissenschaft, der seinem Streben entgegenkam. Als seine wahren Genossen

kamen (Lessing, Goethe), da eben wurde der Treffliche dahingerafft. Und dennoch

hat er so Großes gewirkt! Er gehört durch Sinn und Geist nicht seiner Zeit,

sondern entweder dem Altertume an, oder der Zeit, deren Schöpfer er

wurde, der gegenwärtigen. Er gab durch seine Lehren die erste Grund-

lage jenem allgemeinen Gebäude der Erkenntnis und Wissenschaft des

Altertums, das spätere Zeiten aufzuführen begonnen haben. Ihm zuerst ward der

Gedanke, die Werke der Kunst nach der Weise und den Gesetzen ewiger Natur-

werke zu betrachten, da vor und nach ihm alles andere Menschliche als Werk

gesetzloser Willkür angesehen und demgemäß betrachtet wurde. Sein Geist war

unter uns wie eine von sanften Himmelsstrichen heranwehende Luft, die den

Kunsthimmel der Vorzeit uns entwölkte und die Ursache ist, daß wir jetzt mit

klarem Auge und durch keine Umnebelung verhindert, die Sterne derselben

erblicken. Wie hat er die Leere seiner Zeit empfunden! Ja hätten wir keinen

anderen Grund als sein ewiges Gefühl der Freundschaft..., so wäre dies Recht-

1

Max Schasler: Kritische Geschichte der Ästhetik,..., S. 388.

2

Max Schasler: Kritische Geschichte der Ästhetik,..., S. 393.

3

Max Schasler: Kritische Geschichte der Ästhetik,..., S. 396.