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Hiermit war für das gesamte europäische Denken eine große Tat

vollbracht. Zwar liegt dies alles im Sinne der platonischen Ideen-

lehre, der aristotelischen Formenlehre und ist auch bei Plotin schon

halb ausgesprochen (bei welchem aber vom Absoluten, dem

έυ

oder

Eins, kein Weg zum Sinnlichen führt); bei allen diesen ist es jedoch

nur ein Keim des von Schelling zum erstenmal aus einem Begriffs-

zusammenhange entwickelten und begründeten Begriffes des Schö-

nen als einer Erscheinungsweise (Manifestation) des Absoluten!

Der grundlegende Fortschritt zeigt sich sogleich daran, daß der

Begriff des Schönen von allem Subjektiven befreit wurde. Nicht

das Verhalten des Menschen — sein „Wohlgefallen“ — steht nun

zuerst zur Frage; das Schöne ist nicht mehr zuerst, was gefällt; ob-

zwar es wesensgemäß auch gefallen muß. Auch das Gute und Wahre

gefällt ja! Vielmehr ist es nun in die gegenständliche, und zwar

übersinnlich begründete Welt eingereiht. Und es ist auch Selbst-

zweck, da es dem obersten Zwecke dient, das Absolute zu offen-

baren.

Damit ist das Schöne nicht nur vom Nützlichen, es ist von allem

anderen losgelöst, es ist arteigen! Nach Baumgarten und Schiller

war es erst Schelling, welcher den Begriff des Schönen in keiner

Weise mehr auf subjektive Merkmale gründete, sondern auch in

der Kunstphilosophie „den Durchbruch in das freie Feld objektiver

Wissenschaft“ (wie Schelling stolz von seiner Naturphilosophie

sagte) vollzog!

Allerdings will schon S c h i l l e r das Schöne auf die Erschei-

nung der Ideen der Vernunft (diese im Kantischen Sinne genom-

men) zurückführen; einen wesenhaften und reinen Zusammenhang

indessen solcher „Ideen“ und ihrer Erscheinung vermochte erst

Schelling auf Grund seines Natur- und Geistesbegriffes herzustellen.

Von Schiller ist dabei zu rühmen, daß er das Schöne so objektiv zu

fassen suchte, daß es als Mittel der Erziehung der Menschheit, als

aufbauende Kraft des Staates, der Sittlichkeit, der gesamten Kul-

tur überhaupt, also als Objektives dienen konnte. — Ähnlich

G o e t h e

1

.

1

Sein Begriff des Schönen entsprach dem Schellings und Hegels: „Das Schöne

ist ein Urphänomen, das zwar nie selber zur Erscheinung kommt, dessen Abglanz

aber in tausend verschiedenen Äußerungen des schaffenden Geistes sichtbar

wird . . . “ (Goethe zu Eckermann, 18. April 1827).