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Standes, welches die Eingebung berührt, gehen sie vorbei. Nicht

durch Abschilderung, nur durch Eingebung vermag der Künstler

den Dingen ins Herz zu sehen und ihren inneren Reichtum zu-

gleich mit ihrer inneren Wahrheit zu erfassen.

An die seinerzeit herrschende größte Gruppe der Verdünner, die

Aufklärer, richteten Goethe und Schiller das folgende Xenion:

J a c o b i s T a s c h e n b u c h

Viele Läden sind offen in südlichen Ländern

Und man sieht das Gewerb’, aber die Armut zugleich.

— die Armut der Eingebungslosen.

Ausnahmsweise sei es erlaubt, auch auf einen verborgeneren Sach-

verhalt als Beispiel hinzuweisen.

G r i l l p a r z e r läßt Hero beim Tode Leanders eine hohe,

ekstatische Wahrheit sagen, die über ihre Fähigkeiten und Ein-

sichten im gewöhnlichen Zustande hinausgeht:

Sein Atem war die Luft, sein Aug’ die Sonne,

Sein Leib die Kraft der sprossenden Natur;

Sein Leben war das Leben: deines, meines,

Des Weltalls Leben.

Nur der Philosoph von mystischer Höhe vermöchte so zu spre-

chen, dem Nüchternen ist das Wahnsinn. Aber der Dichter schildert

damit die ungeheure Schmerzekstase, in der die Heldin sich ver-

liert, und bezeugt, zu welch kosmisch-mystischer Tiefe der Liebe

sie vorgedrungen sei; dazu noch: er verrät ein naturphilosophi-

sches Geheimnis, das er zugleich verhüllt, nämlich als Unerhörtheit,

die alle vernünftigen Grenzen überschreitet.

Welch einen Blick tun wir da in das geheime Leben des großen

Dichters! Und wie nahe rückt Grillparzer da an Novalis heran!

VI. Das Subjektive und Objektive der Kunst

Die empiristischen Kunsttheorien können im Schönen nur Ablei-

tungen aus Sinneseindrücken und Gefühle, daher Schein, Täuschung,

Illusion, Hineinlegung unserer Gefühle in vorgestellte Dinge und