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Kräfte übersteigt, sie aber trotzdem nicht ausschließt. Die Einge-

bung übersteigt die wachen Kräfte, insofern die Erweckung der

Ideenwelt vor ihnen liegt; sie bedarf der wachen Kräfte, inso-

fern die Gestaltung wie die Vergegenständlichung am Werke sein

müssen, um Kunst (und Wissenschaft) hervorzubringen. Nament-

lich bei der Vergegenständlichung, das ist dem W i s s e n , ist es

klar, daß sie das in der Eingebung Empfangene (Erweckte) schon

voraussetzte. Mit einem Worte: Die Eingebung geschieht im Däm-

merlichte, die Gestaltung und namentlich die Vergegenständlichung

(das Wissen) im Hellen, im Klarbewußten.

So verstehen wir den scheinbaren Widerspruch, daß die schaffende

Tat des Künstlers zugleich unbewußt und bewußt sei: Die Einge-

bung reicht an die intelligiblen Gründe des Seins heran; aber nur

als eine Tat des wachen Geistes, in Wissen und Gestalten kann ihr

Schatz gehoben werden!

Das Geschehen bei der Eingebung ist infolge seiner Zwiespältig-

keit grundsätzlich nicht völlig aufhellbar. Gerade das läßt sich aus

dem Wesen der Eingebung verstehen! Jedoch, daß der Zustand ein

traumhafter, „traumwandlerischer“, wie Goethe es ausdrückte, sei,

sein müsse, das erkennen wir wohl. In allem Traumhaften aber kön-

nen wir eine bewußte Seite von einer anderen, die wir nur un-

eigentlich „unbewußt“ nennen dürfen, welche eher noch als „über-

bewußt“ zu bestimmen wäre, unterscheiden. Immer wird die

höchste Sammlung und Versenkung, die nicht mit Unrecht als

Außersichsein, „Ekstasis“ bezeichnet wird, als über dem Unbewuß-

ten nicht nur, sondern selbst über dem Zergliedernd-Bewußten

stehend festzuhalten sein!

Die Eingebung und die Gestaltung des Schönen aus der Einge-

bung wird aus diesen Gründen immer ein geheimnisvoller Vorgang

bleiben. Das Überweltliche und das Weltliche berühren sich darin.

Daher denn Goethe mit größerem Rechte, als die meisten ahnen,

sagt: „Die Kunst ist eine Vermittlung des Unaussprechlichen. ..“

Es ist die Vermittlung der Eingebung, um die es sich hier handelt.

Darin liegen Hingegebenheit, Erfülltsein, Traumwandlerisches

einerseits und Besonnenheit, Vollbewußtheit andererseits in einem

beschlossen.