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Forschung (man denke z. B. an die seinerzeit berühmte Schilderung

der ekelhaften Gerüche, die beim Wäschezählen auftreten, in Zolas

„Germinal“). Dabei droht sie, sich ins Hausbackene und Seichte auf-

zulösen. Solcher Naturalismus ist das untrügliche Zeichen eines tief

in der Zeit wurzelnden Kunstverfalles, das Zeichen von Verfalls-

zeiten überhaupt.

Auf der Gegenseite ist das übermäßige Hervortreten des All-

gemeinen ebenfalls ein Zeichen der Verarmung: Es entsteht die

s i n n b i l d l i c h e u n d a l l e g o r i s c h e Kunst. Hier wird

zumeist nicht Eingebungsarmut dafür verantwortlich zu machen

sein, sondern das übermächtige Hervortreten von Vorbild, Ansehen,

Amt, Gebot, Förmlichkeit in Religion, Leben und Staat. Auch die

durchgängige Einheit der Kultur und damit die allgemeine Kennt-

nis und allgemein verbindliche Gültigkeit der Sinnbilder, welche

uns heute abgeht, begünstigt und erlaubt weitgehende Sinnbildlich-

keit des Schönen (was besonders bei Beurteilung der mittelalter-

lichen, altgriechischen, chinesischen, indischen Kunst und ähnlichem

zu berücksichtigen ist).

Im großen und ganzen kann man die k l a s s i s c h e Kunst inner-

halb der Stilgeschichte gewisser Zeiten und Völker als die voll-

ständig durchformte, im Gattungsmäßigen und Besondern rein

ausgewogene bezeichnen; die n a t u r a l i s t i s c h e dagegen als

die im Einzelnen und Einmaligen stecken bleibende; die s i n n -

b i l d l i c h - a l l e g o r i s c h e

endlich

als

die

gestaltungs-

schwache Kunst, welche im allgemeinen der Idee verschwimmt. So

enthüllt sich der Naturalismus als eingebungsschwach, der Symbo-

lismus als gestaltungsschwach.

Es bedarf keiner Begründung, daß damit nicht die gesamten

Denkaufgaben der Stilgeschichte berührt sind. Hier war nur die

sonst übersehene R o l l e d e r E i n g e b u n g zu klären. Indem

die Eingebung sonst etwa als „das geistige Wesen eines Kunstwerks“,

als „Vorstellung des Künstlers“, „Intentionen, die in einem Kunst-

werke zum Ausdruck kommen“, behandelt wird, geht das Wesent-

liche verloren und in Unklarheiten unter.