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keit. Nur durch sie erscheint das Schöne als ein sich selbst schaf-
fendes Wesen und Werk.
Klar spricht sich Schiller in dem Gedichte „Die Sänger der Vor-
welt“ darüber aus, was es für die alte Kunst bedeute, ganz im Glau-
ben der Zeit befaßt und geborgen zu sein:
Sagt, wo sind die Vortrefflichen hin, wo find’ ich die Sänger,
Die mit dem lebenden Wort horchende Völker entzückt,
Die vom Himmel den Gott, zum Himmel den Menschen gesungen
Und getragen den Geist hoch auf den Flügeln des Lieds.
Als ein persönliches Bekenntnis dürfen wir auch L e n a u s
Worte in einem seiner schönen Gedichte, „An die Alpen“, auffas-
sen, wo er im Anblicke zerklüfteter Felsen, in deren Grund der
Strom braust, sagt:
„Wird des Unglücks heil’ger Sinn geahnt,
Hat der Kummer seinen Groll verloren;
Rauschend hat mich’s an die Kluft gemahnt:
Schmerz und Liebe hat die Welt geboren ...
Heimweh ist es, wenn die Liebe naht,
Ist der Grund des nie gestillten Fragens,
Heimweh jede große Menschentat,
Und die Wunder himmlischen Entsagens.
Übersinnliches Heimweh kann nur aus Rückverbundenheit geboren
werden. Wie es denn auch die Schlußworte des Gedichtes ausspre-
chen, die das Glockengeläute der Herden deuten:
Kaum vernehmbar kam der müde Schall
Jener Kluft herüber mit den Winden;
Wo so hoher Friede überall,
Ließ die Ruh’ in Gott sich vorempfinden.
Da die tiefe, rein aufgefaßte E i n g e b u n g ihrem Wesen nach
rückverbunden ist, da Rückverbundenheit den Vorrang vor der
Ausgliederung hat, könnten auch alle Bekenntnisse der Künstler,
welche wir bei Gelegenheit der Eingebung mitteilten, hier in ihrer
Weise wieder angezogen werden. Wir erinnern besonders an die
Erleuchtung des jungen Tieck, welche ihm die Rückverbundenheit
und Geborgenheit aller Wesen in Gott tief in die Seele brannte.
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