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Im reifsten Zustande ist es also das Rückverbundenheitsbewußt-

sein, welches herrscht.

Die Rückverbundenheit als der stete Halt des Dichters wie des

Täters spricht Goethe unter anderem in dem Gedichte „Gottes ist

der Orient“ offen aus:

Mich verwirren will das Irren;

Doch du weißt mich zu entwirren.

Wenn ich handle, wenn ich dichte,

Gib du meinem Weg die Richte!

Dazu die bekannte Stelle in einem Briefe an Auguste Gräfin

Bernstorff (vom 17. April 1823):

„Bleibt uns nur das Ewige jeden Augenblick gegenwärtig, so leiden wir nicht

an der vergänglichen Zeit“

stellt stete Rückverbundenheit als Bedingung innerer Überlegenheit

auf, wie sie dem Dichter unentbehrlich ist.

Wenden wir uns zu S c h i l l e r , so finden wir von ihm ein

klares Bekenntnis in seiner Abhandlung über das Pathetische, wo es

heißt:

„Der letzte Zweck der Kunst ist die Darstellung des Übersinnlichen.“

Das will nicht dahin verstanden werden, das Übersinnliche müsse

selbst den Gegenstand der Kunst bilden (was freilich auch möglich

ist), sondern dahin, daß in Geist, Leben und Natur der übersinn-

liche, alles b e f a s s e n d e G r u n d spürbar sein müsse!

Im gleichen Sinne dürfen wir auch die berühmten Worte Schillers

deuten, welche er in einem Brief an Goethe vom 1. März 1795 aus-

sprach, und zwar gelegentlich der Zurückweisung philiströser Sitten-

richterei Jacobis am Wilhelm Meister:

„Sobald mir einer merken läßt, daß ihm in poetischen Darstellungen irgend

etwas näher anliegt als die innere Notwendigkeit und Wahrheit, so gebe ich ihn

auf.“

Denn was könnte „innere Notwendigkeit und Wahrheit“ sonst

noch an sich haben, als die tiefe, in ihrer R ü c k v e r b u n d e n -

h e i t unversehrte Eingebung? Erst die durch die Eingebung hin-

durchleuchtende Rückverbundenheit bringt die letzte Bestätigung

innerer Wahrheit und Notwendigkeit. Nur die Rückverbundenheit

verleiht Insichbeschlossenheit, Geborgenheit, innere Notwendig-