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IV.
Erhabene Ruhe und Freudigkeit
Zeugnisse gesicherter
k b d h i
Da jedes echte Kunstwerk aus Eingebung stammt, Eingebung aber
nur durch Sammlung, Versenkung, erreicht wird; da ferner
Sammlung und Versenkung nichts anderes als Erscheinungsformen
der Rückverbundenheit sind, so erweist sich sowohl von der Seite
der Eingebung wie der Rückverbundenheit her das Schöne als ein
Spiegel v e r t i e f t e r R u h e , welche in einer höheren Seins-
ebene wurzelt.
Die in der Eingebung in uns erweckte höhere Welt beruht aber
nicht nur unzerstörbar durch die Erschütterungen der irdischen
Welt in sich selbst; mehr, sie erweist eben diese Unerschütterlich-
keit und Geborgenheit durch eine h ö h e r e F r e u d i g k e i t ,
eine himmlische Heiterkeit.
Unverletzliches In-sich-Beruhen und gehobene Freudigkeit sind
demnach zwei Seiten einer und derselben Grunderscheinung und
beide Künder der Rückverbundenheit.
A. R u h e
Aus der Rückverbundenheit des Schönen mit ihrer tief wurzeln-
den Ruhe erkennen wir erst ganz den tiefen Sinn der „ s t i l l e n
G r o ß e“, welche Winckelmann aus innerer Schau mit bewunderns-
werter Sicherheit als Merkzeichen der hohen griechischen und damit
jeder hohen Kunst erklärte. Wir verstehen daraus aber auch das
zweite Merkmal, das er angab, die „ e d l e E i n f a lt“, welche wir
als Folgeerscheinung der „stillen Größe“ erkennen.
Winckelmann entnahm diese Merkmale vornehmlich der griechi-
schen Plastik, sie gelten aber im Grunde für alle hohe Kunst der
ganzen Welt.
Die gesammelte Ruhe auf dem Grunde des Schönen macht das
Schöne groß, weil sie das Übersinnliche als ihre letzte Quelle ahnen
läßt.
Die größten Werke der griechischen Plastik, man denke nur an
den Diadumenos des Polyklet oder ein Werk des Myron oder des
Praxiteles, ebenso aber auch des griechischen Epos oder der griechi-