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physik bewußte Überlegungen anstellte und Lehren entwickelte (wo

das geschieht, wie manchmal bei Schiller, ist es immer ein Grenzfall);

vielmehr nur, weil ihr das Göttliche und Metaphysische als innerer

Grund und Rechtfertigung der Welt selbstverständlich ist.

Zweitens wird durch solches Erfassen der Dinge von ihrer inne-

ren Seele oder Idee her stets das G a n z e der Natur und der

geistig-sittlichen Welt in allen Teilen und allem einzelnen gegen-

wärtig, das heißt, schöpferisch tätig gedacht. Durch solche Gegen-

wart des Ganzen im Teile wird der A u s g l e i c h des Teiles (also

auch des menschlichen Individuums) mit der Welt erst geschaffen

und dadurch die K l a r h e i t u n d D u r c h g e g l i e d e r t -

h e i t d e r G e s t a l t u n g ermöglicht. — Diese Klarheit und

Eindeutigkeit der Gestaltung ist zugleich eine Besiegelung der

ideenhaften Gegenständlichkeit, welche der Klassik unter allen Um-

ständen eigen ist.

Die R o m a n t i k beruht, obzwar auch auf einer metaphysi-

schen Grundhaltung, doch auf einem anderen Lebensgefühl, näm-

lich, um es gleich mit einem Worte zu sagen, einer gewissen meta-

physischen Unsicherheit! Es ist das Gefühl der Rätselhaftigkeit des

Daseins, der Kampf um den Sinn des Lebens; und daraus folgend

die S e h n s u c h t , das heiße Streben, sich der Gottheit und der

Vorsehung völlig anzuvertrauen, was die Romantik überall kenn-

zeichnet. Durch solches sehnsüchtige Bangen und Fragen entsteht

eine Zwiespältigkeit, welche das ungetrübt Gegenständliche der

Klassik durch ein I c h h a f t e s (Subjektives) unterbricht und

stört.

Da die Eingebung hier in einen von der Sehnsucht und dem

steten Streben ins Weite und Unbestimmte getriebenen Geistes-

inhalt eingegliedert werden muß, entsteht in der G e s t a l t u n g

des Kunstwerkes etwas Schwankendes, Unbestimmtes, Seltsames,

Ungewöhnliches, welches wieder von seiner Seite her der reinen

Gegenständlichkeit der romantischen Kunst Eintrag tut; das aber

auch eine fast unbegrenzte Fülle der Schönheit und des freien Schaf-

fens herbeiführt! Nicht nur ein Zug von Ichhaftem, sondern auch

ein Zug von Abenteuerlichem und Freischwebendem kommt damit

in die romantische Kunst und unterscheidet sie vom Klassischen. In

diesem Sinne ist Grillparzer zu verstehen, wenn er, der auch als

Kritiker der Romantik auf trat, sagt: