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Romantik weicht von der Dichtung nie,
Sie ist ihre Mutter: die Phantasie.
Diese Grundauffassung vom Wesen des Klassischen und Roman-
tischen gilt es im einzelnen an den Merkmalen des Schönen, der
Eingebung, Gestaltung und Rückverbundenheit zu bewähren.
2. Die Eingebung
a. G r u n d s ä t z l i c h e s
α.
Das Klassische
Gehen wir von der Eingebung aus, so ist zu erklären, inwiefern
sie den Gegenstand von einer bestimmten Seite her nimmt, und
ferner inwiefern sie durch die Eingliederung in den jeweils vorhan-
denen Geistesinhalt verändert wird.
Beides geschieht in Gegenseitigkeit.
Das sichere metaphysisch-religiöse Bewußtsein, durch das wir die
Klassik gekennzeichnet fanden, läßt den Künstler einerseits den
Gegenstand seiner Eingebung in reiner, gleichsam ungekränkter
G e g e n s t ä n d l i c h k e i t und eben damit als vollwertiges
Glied des Ganzen erscheinen; wie es andererseits durch die Einglie-
derung in den jeweils gegebenen, metaphysisch bestimmten Geistes-
inhalt ebenfalls wieder die Gegenständlichkeit des in der Eingebung
Erfaßten nicht beeinträchtigt: Eingebung wie Eingliederung der
Eingebung sind beide durch das sichere metaphysisch-religiöse Be-
wußtsein mitbestimmt, daß alles in einer Uberwelt, zuletzt in der
Gottheit aufgehoben sei, die a l l e s h e g t u n d t r ä g t .
Indem auf diese Weise alle Dinge und Menschen in ihrer, sei es
noch so verborgenen, überweltlichen Bestimmtheit und Gegenständ-
lichkeit unverfälscht aufgefaßt werden, erscheinen sie in jener über-
einzelnen Gegründetheit, welche man als eine höhere Beseeltheit
oder kurz als platonische Idee bezeichnen muß. Es ist also in der
klassischen Kunst eine m e t a p h y s i s c h - i d e e n h a f t e G e -
g e n s t ä n d l i c h k e i t , welche die Eingebung dem schaffenden
Künstler zur Erscheinung bringt; mit der Aufgabe, sie in diesem
ihrem Gepräge — dem gegenständlichen — zur Gestaltung zu brin-
gen.
In welchem Verhältnisse steht nun diese metaphysisch begründete
Gegenständlichkeit zum I c h ?