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Wünsche des Feldherrn und der Hexenerscheinung vorhanden ist;

so verkünden die Hexen ja ü b e r d i e s noch ein Schicksal, eine

höhere Fügung! (Außerdem ist zu bedenken, daß sowohl Shake-

speare wie seine Zuschauer an Hexen glaubten; woran allein schon

die rein seelenkundliche Erklärung des Dramas scheitert!).

In allen größeren Stücken Shakespeares spielen beide, Gemütsart

und Ubernatur, eine wenn auch oft verborgene Rolle. Sie ergreifen

die Eingebung, bestimmen die Art ihrer Eingliederung, das heißt,

sie ziehen sie in ihren Zusammenhang.

Das ist Shakespeares Stil. Und ohne diese Zwiefältigkeit wäre er

nicht unsterblich.

Mit all dem ist auch die klassische Gegenständlichkeit seiner Dich-

tung schon erklärt. Die geschilderte zweifache Gliedhaftigkeit seiner

Gestalten ist es, welche der Welt wie der Überwelt gerecht wird.

Dadurch gibt uns Shakespeare einerseits wirkliche, lebensvolle

Menschen; andererseits ist alles von höherer Beseelung gehoben.

Durch jene lebensvolle Gegenständlichkeit vermeidet er, daß seine

Menschen zu Drahtpuppen herabsinken; durch diese überweltliche

Mitbestimmtheit, daß sie sich in öde Realistik und deren Plattheit

verlieren. So wird Shakespeares gegenständliche Klassik, wie sein

gesamter Dramenstil für alle jene Zeiten vorbildlich bleiben, welche

in ihrem Geistesgefüge der Neuzeit gleichen.

S c h i l l e r s gegenständlich-klassischer Stil beruht wesentlich

darauf, daß er vom Wallenstein an (obzwar es auch in den „Räu-

bern“ nicht gänzlich daran fehlt) in die Bahnen Shakespeares und

Goethes in seiner Weise einlenkt. In seinem größten Werke, der

„ J u n g f r a u v o n O r l é a n s“, sehen wir Gemütsart und Schick-

sal (der Jungfrau) von Anbeginn die Handlung tragen. Die Ein-

gebung von beiden ist gegenständlich in jenem höheren Sinne, den

alle Klassik fordert. Gemütsart und höhere Bestimmung sind so eng

miteinander verschränkt, daß sie kaum zu trennen sind. (Wenn man

demgegenüber noch von „Rhetorik“ bei Schiller faselt, beweist

man, daß man seine innere Größe nicht versteht.) — Nicht die

gleiche Höhe kann die „Braut von Messina“ halten, weil hier das

Schicksal nach altgriechischer Weise, die uns aber mangels eines

wirklichen Polytheismus unerschwinglich bleibt, alles führen soll.

Selbst die erhabenste Sprache und die großartige Rolle, die der Chor

spielt, können darüber nicht völlig hinweghelfen. — Das Gegen-