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selbst dar: die A n t i k e , später besonders L e o n a r d o , R a f -

f a e l sowie die meisten anderen Renaissancekünstler; ferner

D ü r e r , R e m b r a n d t und der größte Teil der niederländi-

schen Schule, obgleich es hier an starken romantischen Einschlägen

nicht fehlt (wovon später mehr).

Das Ideenhaft-Gegenständliche liegt hier überall klar am Tage.

Man bedenke nur, wie z. B. Dürer sein Rasenstück nicht nur natur-

getreu, das heißt äußerlich-gegenständlich, sondern auch, und vor

allem, von innen heraus, von der den Gegenstand bildenden und

beseelenden Idee heraus malt. Ebenso Leonardo.

Aus der Antike sei es erlaubt, eines der ganz wenigen Urstücke,

die wir noch besitzen, den H e r m e s d e s P r a x i t e l e s , an-

zuführen (er wird unseres Erachtens zu Unrecht auch als Nachbil-

dung bezeichnet).

Hier ist die den Gegenstand bildende Idee die Gottheit selbst!

Der Künstler stand daher vor der höchsten Aufgabe, vor welche die

Kunst gestellt werden kann (wie auch heute noch in heiligen Stof-

fen).

Der Hermes des Praxiteles ist eines jener seltenen Werke, durch

die man in das Wesen höchster Kunst eingeweiht werden kann.

Wie könnte, wie müßte sich wohl ein Gott in Menschengestalt

unseren äußeren und inneren Sinnen darstellen? Nun wohlan, dieses

Werk des Praxiteles, das uns noch aus seiner eigenen Hand erhalten

ist, sagt uns mehr davon, als unsere dem alten Denken entfremdete

Zeit zu ahnen scheint.

Das Antlitz des Hermes ist wie aus dem ersten Ursprunge hervor-

gegangen. Es ist heiter gleich dem Morgenglanz. Verjüngt, weil sich

selber unaufhörlich neu hervorbringend.

Vom Urgeheimnisse nichts verratend, aber durch Glanz, Unver-

welkliche Jugend und höhere Heiterkeit, die sich aus ihrer eigenen

Wurzel nähren, dennoch heimlich von ihm zeugend, dennoch das

Göttliche in seiner Herrlichkeit ahnen lassend — so spricht das

Antlitz des Gottes zu uns!

Auch der Mensch kennt Augenblicke der Entzückung, in denen er

vom Ewigen berührt wird und dessen Schöpferkraft in sich erweckt

findet. Da erfühlt er seine göttliche Abstammung. Und aus solchen

äußersten Erlebnissen und Ahnungen schuf Praxiteles sein geheim-