233
„So bleich“, da klingt der Schauer der Vergänglichkeit aller Dinge
an; wie auch, um ein anderes Beispiel zu wählen, in den folgenden
Worten Eichendorffs:
Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.
Dasselbe Bild gibt auch die lebensgeschichtliche Betrachtung der
Gründer und Führer der Romantik.
Die Frühromantik, also die Dichtung der Novalis, Tieck, Wak-
kenroder und der Gebrüder Schlegel, ebenso die Musik Beethovens,
fällt in eine Zeit, in welcher die Aufklärung, der Rationalismus
und Empirismus, ja bereits der Materialismus (staatlich: die Fran-
zösische Revolution) die metaphysischen wie die sittlichen Grund-
lagen des Lebens bedrohten. Es bedurfte besonderen inneren
Aufschwunges, ja geradezu einer inneren Erweckung, um den
Kampf siegreich zu beenden und schließlich das andere Ufer zu
gewinnen. Das G r a b e r l e b n i s d e s N o v a l i s
1
, die große
mystische Schau und E k s t a s e d e s j u n g e n T i e c k , und
manche andere Vorgänge solcher Art, bezeugen zur Genüge die per-
sönlichen Kämpfe, welche mit der Begründung der romantischen
Schule verbunden waren (von den Vorbildern, die in Goethes Wer-
ther, Götz, den Faustfragmenten und den Anfängen des „Wilhelm
Meister“ gegeben waren, dabei ganz abgesehen).
Wer weiß, ob die ganze Bewegung ohne jene zwei wunderbaren,
geheimnisvollen Erlebnisse (Tiecks und Novalis’) nicht ein wenig
ins aufklärerische Fahrwasser gekommen wäre? Allerdings hätte sie
an Goethe, Schiller und Shakespeare immer einen mächtigen Halt
gehabt; ebenso an Fichtes Wissenschaftslehre, welcher bekanntlich
die Gebrüder Schlegel und auch Novalis anhingen und die mitten
ins Metaphysische führte. (Dazu Jakob Böhmes Wiederentdeckung
und anderes.)
Wesentlich ist aber auch dann noch, daß jener ruhige, sichere
Besitz inneren metaphysischen Bewußtseins, der die Klassiker aus-
zeichnete, auch den Bekehrten nicht ohne weitere innere Kämpfe
1
Vgl. Karl Justus Obenauer: Hölderlin, Novalis, Gesammelte Studien, Jena
1925.