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nisvolles Werk. Klassische Klarheit erquillt zuletzt aus dem dunklen

Borne der Mystik.

Als ein äußerliches Mittel aller hohen griechischen Bildnerei, das

Antlitz der Götter darzustellen, sei hier noch die geniale Umgestal-

tung des menschlichen Kopfes erwähnt, welche durch deutliches

Hervortreten der Stirne über den beiden Augenbrauen, also einen

starken S t i r n w u l s t , erreicht wird. Es ist meines Erachtens

unverkennbar, daß der grübelnde Schönheitssinn der Griechen auf

diese Weise — bei Göttinnen ist der Wulst durch Abrundung nach

vorne abgeschwächt — das Übermenschliche, Göttliche versinnbil-

dete.

Durch eine so überbildete Stirn wirkt der Kopf von Anbeginn

geistig, hoheitsvoll, überirdisch und gleichsam magisch-herrscher-

lich.

M y r o n s A t h e n e in Frankfurt am Main ist ähnlich, aber in ihrer Weise,

zu verstehen und hoch zu preisen.

In der christlichen Kunst wäre als eine Leistung verwandter Art

auf den Kopf der Sixtinischen Madonna von R a f f a e l zu Dres-

den, mit seinem mystischen Augenglanze zu verweisen; besonders

auch auf Leonardos heilige Köpfe, die, in einem zarten Medium er-

scheinend, noch den Hauch der Urschöpfung und seiner ewigen Ju-

gend an sich tragen. So besonders der Kopf der Annunciata und der

Handzeichnung zur heiligen Anna (um nur diese zu nennen).

β.

Romantik

Das echte Romantische erweist sich als solches dadurch, daß es ein

metaphysisches Grollen und Beben am Grunde erkennen läßt! An-

schaulich kann die romantische Kunst sehr wohl sein und ist sie

auch meistens, aber die innere metaphysische Sicherheit ist es, woran

es so oft fehlt! Durchaus anschaulich sind z. B. die folgenden Verse

E i c h e n d o r f f s , aber sie wirken nicht rein gegenständlich,

nicht allem Ichhaften entrückt, sondern eben darum romantisch:

O Herbst in linden Tagen!

Wie hast du rings dein Reich

Phantastisch aufgeschlagen!

So bunt und doch so bleich!