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Das ringende, um das sichere metaphysische Urwissen kämpfende

Ich der romantischen Kunst schreit zum Himmel auf und sucht

Rettung vor dem Untergange. Da tritt das Übersinnliche, Göttliche

in den Vordergrund, es wird beschworen, der heilige Sinn soll

erweckt werden.

Was die Klassik als ruhigen Besitz in sich selbst beherbergt, das

innere Wissen von der Göttlichkeit der Welt; es wird von der

Romantik laut gefordert, ersehnt, errungen.

Und mehr! Je mehr das Transzendente durch solches Sehnen und

Fordern für sich genommen und gesteigert wird, tritt es geradezu

als M y s t i s c h e s im Kunstwerke auf. Und hierin ist unschwer

die B r ü c k e zum Mittelalter, welche die deutsche Romantik

schlug, zu sehen. Denn die G o t i k war ihr nun von innen her

verständlich, und zwar als mystische Kunst; anders wie den Klas-

sikern, die in ihr nur die Formenharmonie vermißten!

War doch das M i t t e l a l t e r von der damaligen Aufklärung

und ihrem Rationalismus als barbarisch und finster verschrieen. Wie

wurden gerade die Romantiker darauf hingeführt? Durch den

Drang nach sicherer, unbezweifelbarer Rückverbundenheit von

Welt und Leben. Sie sollte sich klar aussprechen in Kunst und

Schönheit. N o v a l i s ’ „Ofterdingen“, B r e n t a n o s „Chro-

nik eines fahrenden Schülers“, A c h i m v o n A r n i m s „Kro-

nenwächter“ sind so erst recht zu würdigen.

Die Gotik war es, die sich am eindringlichsten als derjenige

Kunststil darstellte, in welchem das mystische Streben, die ersehnte

Aufgehobenheit im Höchsten sich inbrünstig aussprach.

Daher bei N o v a l i s , der eigentlichsten Seele der Romantik,

der aus dem Inneren kommende Drang zur Gotik und zum Mittel-

alter überhaupt. Seine denkwürdige Schrift „Die Christenheit oder

Europa“ ist von hier aus und allein von hier aus zu verstehen!

Daher in der gesamten Romantik der Drang zur Erschließung des

mittelalterlichen Geisteslebens, der zur Begründung einer neuen

Wissenschaft, der Germanenkunde (Germanistik) führte, sowie

durch die Arbeit Tiecks und der Gebrüder Grimm die Erschließung

der Nibelungen, der anderen Epen, endlich auch des Minnesanges

zur Folge hatte.

Das ist das Große an den ichhaft-romantischen Richtungen der

Kunst aller Zeiten und Völker, daß ihnen das Siegel der Gottsuche