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l e r n t e und seine Anwendung im Vordergrunde steht und alles
beherrscht.
Je mehr aber dabei eigene weiterbildende Eingebungen dazu-
treten, umso mehr wird das bloß Verdeutlichende, Ausbreitende
und Ausschmückende von bloßer Schriftstellerei zur echten Kunst,
zu echtem Schöpfertume.
c . S c h ü l e r s c h a f t , N a c h z ü g l e r ( E p i g o n e n t u m )
Diese werden oft als An- und Nachempfinder zu bezeichnen sein.
Der Mangel an ursprünglichem Schöpfertum liegt aber keineswegs
im Wesen der Sache. Die Epigonen können in ihrer Weise echt
schöpferisch sein; nur halten sie sich in einem Rahmen, den sie als
vorgegeben hinnehmen und bejahen. Das zeigt sich am einleuch-
tendsten in der Baukunst, wo z. B. die bedeutendsten Künstler des
gotischen Stiles sich zwar durchaus in dessen Rahmen halten, aber
dabei die herrlichsten eigenen Leistungen aufweisen können. —
Dasselbe gilt auch für die alten chinesischen, indischen, griechischen
Baustile. — Und wie in der Baukunst, so ähnlich auch in den ande-
ren Künsten.
Andererseits ist so viel wahr, daß das Vorhandensein eines be-
stimmten Stiles auch den kleineren, unschöpferischen Künstler, der
eigentlich mehr zum Handwerke bestimmt wäre, hebt und hält,
so sehr, daß er über seine geringe Begabung hinauskommen kann.
Der Stil hat dadurch auch eine nicht zu unterschätzende geschicht-
liche Bedeutung. Denn die kleineren Begabungen werden dadurch
aufgefangen und im Rahmen echter Kunst gehalten. Andernfalls
aber, wenn kein Stil herrscht, werden die kleinen Begabungen und
die mehr krankhaften Elemente zu dem verleitet, was man füglich
als den A u f s t a n d d e r g e i s t i g e n U n t e r w e l t be-
zeichnen muß — ein Schauspiel, welches wir in Europa zum Teil
seit hundert und mehr Jahren erleben, in jenen Pseudo-Stilen, die
sich „Junges Deutschland“, Realismus, Naturalismus, Impressionis-
mus, Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus, Kubismus und
noch anders nennen und immer mehr ins Nichts führen.
Der Geschichtsschreiber kommt ohne den Begriff des Aufstandes
der geistigen Unterwelt, welche eine dauernde, aber in guten Zeiten
niedergehaltene oder schlummernde Erscheinung ist, in Wahrheit
22 Spann, 19