Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8403 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8403 / 9133 Next Page
Page Background

343

ü b e r t r i e b e n e A u s g e f e i l t h e i t der Formen entsteht,

daher die Eingebung mehr verdeckt als dargestellt wird.

Aber auch ohne Überladenheit kann das Formenwesen alles be-

herrschen; dann entsteht der l e e r e F o r m a l i s m u s . Dann

herrscht die Gestalt oder Form als solche vor, während von Ein-

gebung und innerer Empfindung wenig zu merken ist.

In beiden Fällen ist das Kunstwerk durch K ä l t e bezeichnet.

Daß überbildetes Gestaltentum und Formalismus überhaupt als

Fehlformen des Schönen auftreten können, das heißt, daß die über-

bildeten oder leeren Gestalten (Formen), die doch der Eingebung

nachgeordnet sind, überhaupt in den Fall kommen, wettmachen zu

sollen, was die Eingebung infolge ihrer Schwäche vermissen läßt;

das hat seinen Grund darin, daß die verschiedenen Gestaltungs-

arten wie Wortrhythmus, Zeitmaße überhaupt, Sinnlichkeit der

Töne, Harmonien und Farben, ferner die Sinnlichkeit der Werk-

stoffe und überhaupt alles, was die Gestaltung auf den Naturebenen

ausmacht, daß d i e s e s a l l e s a u c h f ü r s i c h s e l b s t

e i n e n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n E i g e n w e r t , e i n E i g e n -

l e b e n h a t . Aber die Gestaltung auf den naturhaften Ebenen

kann dennoch nicht den Tiefengehalt der Eingebung ersetzen. Ohne

den Grund der Eingebung, deren Gehalt sie widerspiegeln sollen,

sind diese Werte leer; sie bleiben dann im Sinnlichen stecken, sie

gehen vom Schönen ins Angenehme über.

Als Beispiel für leeren Formalismus wäre an den schon in frühe-

rem Zusammenhange genannten Dichter P l a t e n zu erinnern

(von der Nennung neuerer sehen wir ab); als Beispiel für die Über-

ladenheit verweisen wir auf den unechten, sogenannten „altdeut-

schen Stil“ der Hausgeräte, wie er nach dem Biedermeier gegen

Ende des neunzehnten Jahrhunderts herrschte und auch in der Bau-

kunst (neben der Eklektik geschichtlicher Stile) seine Entsprechung

fand.

Das B a r o c k dagegen, welches äußerlich genommen überladen scheinen

könnte, gründet seinen Gestaltenreichtum grundsätzlich auf starke innere Be-

wegtheit, also nicht auf Eingebungsschwäche. Allerdings kommt dabei der Eigen-

wert der Naturebenen der Gestaltung leicht in eine Überbetonung, welche z. B.

bei der Gotik ausgeschlossen ist.

Der Überbildung der Gestaltung kann ebensogut K a r g h e i t entsprechen,

da die Schwäche der Eingebung beides zur Folge hat.