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kommenen und des Unvollkommenen in der Verwirrung der ver-
schiedenen Abarten des Schönen und Häßlichen keine Ordnung
gebracht werden.
Das Häßliche, wie wir es hier fassen, hat seine Wurzel nicht in
unvollkommener Gestaltung, noch sonst im Formalen, noch in der
Schwäche der Eingebung oder Rückverbundenheit; vielmehr in
einer inhaltlichen Bestimmtheit der Eingebung, das heißt, im
Gegenstande derselben. Die Unvollkommenheit dieses Gegenstandes
— um diese handelt es sich — wird aber erst in der Rückverbunden-
heit aufgedeckt.
Beispiele des Unholdisch-Schönen sind alle künstlerisch vollkom-
men dargestellten und von der Eingebung voll erfaßten Unholdi-
schen Gestalten wie z. B.: Thersites, Falstaff, Richard III., Hagen.
Erst die Rückverbundenheit dieser Gestalten in der sittlichen
und göttlichen Welt ist es, welche ihren W i d e r s p r u c h z u r
W e l t - u n d G e i s t e s o r d n u n g lehrt! Und erst durch die-
sen Widerspruch verkehrt sich das Rein-Schöne oder lichte Schöne
in etwas, was wir das Widersprechend- oder das Finster-Schöne nen-
nen können.
Hier sind wir an dem springenden Punkte angelangt. Sofern
das Finster-Schöne in seinem W i d e r s p r u c h e zur wesens-
gemäßen, zur göttlichen Ordnung im Kunstwerke tatsächlich
erscheint und kenntlich wird, ist es als das Gegengöttliche, Wider-
bellende, Dämonische, Unholdische zu kennzeichnen.
Allgemein ist dies das B ö s e .
Am passendsten nennen wir dieses Widerspenstige, der Welt des
Bösen Angehörige, Gegengöttliche: das Dämonisch-Schöne oder das
U n h o l d i s c h - S c h ö n e ; das wir aber ebensogut das In-
h a l t l i c h - H ä ß l i c h e nennen müssen.
Denn, und das zu erkennen ist wesentlich: dieses Unholdische ist
eine Abart des Schönen; obgleich es auch immer dem Hassens-
werten zugehört! Finden wir ja auch tatsächlich die Darstellung
des Thersites bei Homer, des Falstaff und Richard III. bei Shake-
speare vollkommen; indem die Eingebung bis auf den Grund
geht, die Gestaltung klar durchleuchtet und die Rückverbundenheit
vollendet ist. Und zu dieser Vollkommenheit gehört gerade auch
die Aufdeckung des Widerspruches zur göttlichen und sittlichen
Weltordnung (durch Zu-Ende-Verfolgung der Rückverbundenheit).