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Farbenpracht seines Körpers noch so betören; alles ist zuletzt doch

nur Hilfsmittel des Blutdurstes der „greulichen Katze“ (wie Schil-

ler unübertrefflich sagte).

Gerade im stilrein Gestalteten, eingebungsvoll erfaßten Unholdi-

schen tritt demnach ein Grauenvolles, Unheimliches als untrügliches

H ä ß l i c h k e i t s z e i c h e n hervor!

Man erkenne hieraus den Unterschied des Inhaltlich-Häßlichen,

welches zugleich das Unholdisch-Schöne ist, vom bloß formal Häß-

lichen, das ist, dem gestaltlich Unvollkommenen, z. B. dem Uber-

bildeten, Entstellten (dem wir noch begegnen werden), welches nicht

im innerlichen, wesenhaften Sinne hassenswert ist.

Die Überwindung der Gegenwelt, des Mißwesens, der Grimasse,

der Verneinung ist es auch, was wir in diesem Zusammenhange

abermals als das Frohlockend-Schöne und Tragisch-Schöne neu und

erst bis auf den Grund verstehen und als das reinste Kennzeichen

hoher Kunst verehren lernen.

An dieser Erkenntnis zeigt sich unwiderleglich, inwiefern das

S c h ö n e u n d d a s G u t e n i c h t e i n e r l e i s i n d .

II. Die Unvollkommenheitslehre des Schönen

Auf den Tod eines schlechten Malers

Geh’ nicht zum Himmel ein! Was hast du da zu malen,

Wo die Verklärten nur in ew’ger Schönheit strahlen.

Nein, fahr’ ins Höllenreich, dort, Freund, verdienst du Batzen,

Dort ist dein Fach beliebt, die Larven und die Fratzen.

Ludwig Uhland

In der Vollkommenheitslehre des Schönen war die Voraussetzung,

daß alle Teile, die das Schöne bilden, Eingebung, Gestaltung und

Rückverbindung, je in ihrer Weise vollkommen waren. Das ergab

nur wenige Arten des Schönen.

In der Unvollkommenheitslehre dagegen können die Abwei-

chungen ins Unvollkommene und die daraus folgenden wechseln-

den Verbindungen ins Unübersehbare gehen. Daher müssen wir

uns hier auf das Wichtigste beschränken; was dadurch möglich ist,

daß wir die Unvollkommenheiten der Eingebung, Gestaltung und