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dacht (Phantastik) des Dichters dagegen dadurch, daß die echte

Kunst des Tonschöpfers alles das überspringt oder doch vernachläs-

sigt, was dem wahren inneren Fortgange der Empfindung zuwider

wäre.

Beides wird von der Schwäche der Eingebung aus verständlich.

3.

Naturalismus

Alles Naturalistische in jeder Kunst, sofern es nicht nur der

inneren Sachtreue und Wahrheit entspringt, sondern auch den Stil

bestimmt, beruht auf nichts anderem als Stellvertretung des inneren

Gehaltes durch das Äußere: Die Oberflächenbeobachtung tritt an die

Stelle der Eingebung!

Daher ist alles Naturalistische äußerlich sowohl (denn das heißt

ja oberflächenhaft) wie auch trocken; mit beidem aber zugleich

seicht, hausbacken.

Das wird allerdings in sozusagen abgefeimter Weise meistens

verdeckt. Denn durch strenge Beobachtung des Äußeren kann der

Künstler tatsächlich „Feinheiten“, neue Abschattungen des Gegen-

standes und der Gestaltungsmittel (Farbe, Ton, Werkstoffbeschaf-

fenheit) in das Schöne bringen; aber was hilft das? Da diese Äußer-

lichkeiten und Feinheiten n i c h t a u s d e m g e i s t i g e n

M i 11 e b e n mit dem Gegenstande, also nicht aus der Tiefe der

Eingebung gewonnen sind, der Gegenstand daher nicht von innen

heraus erfaßt und dargestellt wird — bildet der Naturalismus nicht

eigentlich das Schöne, sondern eher das Belehrende und rationali-

stisch Erfaßte: Der Naturalismus geht in das Begriffliche, Wissen-

schaftliche über! Dieses Bild zeigt sich vom „Jungen Deutschland“

an über Zola, Ibsen, Gerhart Hauptmann (z. B. in seinen „We-

bern“); ebenso in der „Programmusik“, z. B. des frühen Richard

Strauss, wie in den entsprechenden Richtungen der neueren Malerei,

der Bildhauerei Meuniers und dergleichen mehr.

Was all dem zugrunde liegt, ist, daß die Eingebung nicht zureicht.

Was an ihr fehlt, soll durch äußere Besonderheiten und wohl auch

durch Kniffe überwunden werden. Aber vergebens! Der Mangel

an Tiefe der Eingebung läßt sich durch äußere Sachtreue, die dann

nur Oberflächenbeobachtung ist, nicht überwinden. Dürers Rasen-