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Diese Verhältnisse lassen sich aber im mittelbaren Sinne ebenfalls

noch als Maßverhältnisse bezeichnen.

Hieraus ergeben sich als A b l e i t u n g e n folgende Sonder-

formen des Ungestalteten und Formal-Häßlichen: Ü b e r l a d e n -

h e i t einerseits, K a r g h e i t andererseits (die Verbindung von

beiden mit der Schwäche der Eingebung stieß uns schon früher

auf); W i l l k ü r u n d R e g e l l o s i g k e i t in der Gestaltung

statt innerer Folgerichtigkeit und Wahrheit; ferner Ü b e r -

s p a n n t h e i t u n d A u s s c h r e i t u n g der Gestaltung, wel-

che der Überladenheit eng verwandt ist.

Diese und verwandte andere Formen ergeben sich, wenn die Eingebung

durch

die

Gestalt

auf

den

verschiedenen

Ebenen

ent-

weder nur unzulänglich, roh wiedergegeben oder auch ganz ver-

deckt und in diesem Sinne das Schöne zerstört wird.

Hier stoßen wir wieder darauf, daß auf dem verhältnismäßigen Eigenleben und

Eigenwert der Gestaltungen verschiedener Ebene die b e s o n d e r e n F o r m -

w i s s e n s c h a f t e n der einzelnen Künste, so die Metrik und Poetik sowie

die Stilistik und Rhetorik, ferner die musikalische Formenlehre und die Musik-

theorie überhaupt, die Theorie der Malerei, der Plastik, der Baukunst beruhen.

Alle diese besonderen Kunstwissenschaften haben auch die S t ö r u n g s m ö g -

l i c h k e i t e n in den Verhältnismäßigkeiten ihrer Zeit-, Raum- und Sinnes-

gestalten zu untersuchen und sind insofern auch Lehren von der Unvollkom-

menheit des Schönen aus der Gestalt.

2. Die Trennung von Gestalt und Gehalt

Die Trennung von Gestalt und Gehalt ist durchaus eine Erschei-

nung, welche der Unvollkommenheitslehre angehört. Dies scheint

wohl verwunderlich, nach den bis jetzt üblichen Lehrbegriffen von

diesem Gegenstande. Je gründlicher man aber das vielumstrittene

Verhältnis von Gestalt und Gehalt prüft, umso sicherer kehrt man

immer wieder zu der Erkenntnis zurück, daß es sich dabei um eine

Unvollkommenheitserscheinung der Gestaltung handle.

Wir stellen der leichteren Übersicht halber unsere Ergebnisse

voran:

(1)

In der Geistesebene herrscht notwendig und allgemein E i n -

h e i t von Gehalt und Gestalt.

(2)

Wenn alle dem Geistigen nachgeordneten Gestalten den Gei-