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In der neueren Malerei wäre an L u d w i g R i c h t e r u n d a n
S p i t z w e g zu erinnern; bei denen allerdings zuzugestehen ist,
daß sie sich nicht immer völlig über ihren kleinen Gegenstand zu
erheben vermögen.
Ganz allgemein gesprochen ist jede S t i l l e b e n - u n d I d y l -
l e n k u n s t nur dann von echter Schönheit, wenn sie ihren klei-
nen Gegenstand in sonst unsichtbarer Tiefe verwurzelt zeigt —
wenn sie den Glanz der Eingebung durchschimmern läßt!
Man könnte daher auch sagen: das, was die echte Kunst befähigt,
auch den kleinen Gegenstand zu wählen, sei das Vertrauen in das
Ideal, das unbewußte Vertrauen darauf, daß die Eingebung bei
jedem Gegenstande auf einen Grund stoße, der göttlich ist!
B. Das U n v o l l k o m m e n e a u s d e r G e s t a l t u n g
Die vollkommene Gestaltung fanden wir dort, wo auf allen
Gestaltungsebenen die Eingebung getreu festgehalten wird. Ist dies
nicht der Fall, dann ergeben sich zwei Grundfälle:
(1)
Das ungenügend Gestaltete oder Ungestaltete, welches auch
als das der Gestalt nach Häßliche zu bezeichnen ist;
(2)
das Auseinanderfallen von Gestalt und Gehalt.
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1. Das Ungestaltete oder Formal-Häßliche
Die Eingebung muß zugleich auf mehreren Ebenen ihren gestalt-
lichen Ausdruck finden, auf der zeitlichen, räumlichen und sinnlich-
stofflichen. Dies ist eine Grundtatsache, auf welche auch die Unvoll-
kommenheitslehre der Kunst zurückgehen muß.
Wird die gestaltliche Vermittlung der Eingebung unvollkommen,
das heißt die Gestalt unebenbildlich der Eingebung, dann kann die
Eingebung nur v e r k ü m m e r t u n d v e r d e c k t zur Gel-
tung
kommen.
U n b e h o l f e n h e i t ,
H a l b g e s t a l t e t -
h e i t , U n g e s t a l t e t h e i t sind die Folge.
In der Dichtung sind es ungemäße Rhythmen, ungenaue Worte,
wesenswidrige Laut-, das ist Ton- und Akzentbestände, welche die
Schönheit des Kunstwerkes stören. — Entsprechendes gilt für die
Musik, Bildnerei und Baukunst, wenn Zeichnung, Farbe, sinnliche