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stesgehalt der Eingebung in vollkommener Weise wiedergeben,

herrscht auch im ganzen Kunstwerke E i n h e i t von Gestalt und

Gehalt.

(3)

Erst wenn die dem Geistigen nachgeordneten Gestalten ihr

Vorgeordnetes nicht vollkommen wiedergeben, tritt das Geistige

allen folgenden Gestaltungsarten als G e h a l t gegenüber, während

diese auf allen folgenden Ebenen als G e s t a l t oder F o r m erst

selbständig auftreten und getrennt sind.

a. Die E i n h e i t v o n G e h a l t u n d G e s t a l t a u f d e r g e i s t i g e n

E b e n e

Im geistigen Urbilde jedes Kunstwerkes herrscht notwendig Ein-

heit von Gestalt und Gehalt, Inhalt und Form. Es ist noch keine

Trennung möglich, weil noch kein fremdes Mittel zur Erschließung

der Eingebung und ihres Geistesgehaltes in Erscheinung tritt.

Das geistige Bild, welches z. B. Homer von Achilleus, dem Dichter

des Nibelungenliedes von Siegfried, Shakespeare von Macbeth oder

Coriolan, Goethe von Faust vorschwebte, kann man weder als rei-

nen Gehalt noch als reine Gestalt ansprechen; es ist w e s e n s -

b e s t i m m t e G e s t a l t oder g e s t a l t e t e s W e s e n , es

ist Gestalt nur durch sein Wesen, seinen Gehalt, und Wesen nur

durch seine Gestalt! Sogar wenn in diesem Urbilde offenkundige

Widersprüche wären, ginge diese Einheit nicht in die Brüche. Ließe

z. B. Homer oder der Dichter des Nibelungenliedes Achilleus und

Siegfried mitunter sich erbärmlich verhalten, dann wären das innere

Widersprüche, Brüche in der Wesens- und Gesinnungsart der Hel-

den selber, aber Gehalt und Gestalt fielen darum nicht auseinander.

Man mache wo immer die Probe darauf und man wird das bestätigt

finden. Fände man in Shakespeares „Coriolan“ oder in „Der Wider-

spenstigen Zähmung“ Widersprüche, so könnte man darum nicht

sagen, sie gehörten der Form oder dem Inhalte an, denn beide sind

noch eine untrennbare Einheit. In „Der Widerspenstigen Zähmung“

bildet ja tatsächlich die Geschichte des Strolches „Schlau“ keine Ein-

heit mit jener der Zähmung eines zänkischen Mädchens, der „Wi-

derbellerin“. Ist das aber ein Fehler der Gestalt oder des Gehaltes?

Der Bruch liegt noch im geistigen Urbilde selber, das der Dichter

aus der Eingebung; oder aber darin, daß er die Eingebung und

das daraus gezogene Urbild nicht folgerichtig festhielt. Von diesem