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l'imitation“)

1

, Erfindung eine glückliche Interferenz von Nachahmungsstrahlen

im Gehirn jener, die dem Milieu weniger angepaßt sind

2

.

M a r x e n s oft angeführter Ausspruch „Es ist nicht das Denken der Menschen,

das ihr Sein, sondern ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Denken bestimmt“,

läßt das Denken als einen Ausfluß des „gesellschaftlichen Seins“ erscheinen (das

selber wieder aus der Wirtschaft als „Unterbau“, der Ideologie als „Überbau“

besteht), daher ja auch seine Geschichtsauffassung die „materialistische“ genannt

wurde

3

. — G u m p l o w i t z sagt: „Der größte Irrtum der individualistischen

Psychologie ist die Annahme: der

Mensch

denke. Aus diesem Irrtum ergibt sich

dann das ewige Suchen der Q u e l l e des Denkens im I n d i v i d u u m , und

der Ursachen, warum es so und nicht anders denke... Es ist das eine Kette von

I r r t ü m e r n . Denn erstens, was im Menschen denkt, das ist gar nicht er —

sondern seine soziale Gemeinschaft, die Quelle seines Denkens liegt gar nicht in

ihm, sondern in der sozialen Umwelt... und er k a n n n i c h t a n d e r s

d e n k e n als so, wie es aus den in seinem Hirn sich konzentrierenden Einflüs-

sen der ihn umgebenden sozialen Umwelt mit Notwendigkeit sich ergibt. In der

Mechanik und Optik kennen wir das Gesetz, wonach wir aus der Beschaffenheit

des Einfallswinkels diejenige des Ausfallswinkels berechnen. Auf geistigem Gebiete

existiert ein ähnliches Gesetz, nur können wir es nicht so genau beobachten.

Aber jedem Einfallswinkel eines geistigen Strahles in unser Inneres entspricht

genau ein gewisser Ausfallswinkel unserer Anschauung, unseres Gedankens, und

diese Anschauungen und Gedanken sind nur das notwendige Resultat der auf

uns seit unserer Kindheit eindringenden Einflüsse.“

4

— Ein Kommentar zu

solcher Tollheit, die den Geist als mechanischen Reflex faßt, dürfte überflüssig sein.

In der Umweltlehre wird „das Ganze“ als der Inbegriff der gesell-

schaftlichen Tatsachen gefaßt, die sich von außen in den Einzelnen

gleichsam hineinspiegeln und so diesem eigentlich nur ein Schein-

dasein einräumen. Wir sehen jetzt davon ab, daß diese Vorstellungs-

weise falsch ist. Maßgebend ist in unserem Zusammenhange, daß

durch / sie das gesellschaftliche „Ganze“ wieder bloß mechanisch

gefaßt, wieder materialisiert wird, wobei sie überdies die Selbstän-

digkeit des Einzelnen gänzlich vernichtet. Denn die Umwelt ist ihr

ein stofflicher oder geistiger „Komplex“, der als äußerer Gegenstand,

der mechanisch auf den Menschen wirken soll! Man kann diesen

Schein-Universalismus den „mechanischen Universalismus“ nennen.

Der Grundfehler der umweltlichen Auffassung liegt darin, daß sie

einen falschen, durchaus naiven Begriff der Umwelt zugrunde legt,

indem sie diese als toten Gegenstand faßt, der auf uns „wirkt“.

1

Siehe oben S. 48.

2

Gabriel Tarde: Die sozialen Gesetze, Skizze zu einer Soziologie, deutsch von

Hans Hammer, Leipzig 1908, S. 104 (= Philosophisch-soziologische Bücherei,

Bd 4).

3

Vgl. oben S. 47.

4

Ludwig Gumplowitz: Grundriß der Soziologie, 2. Auf!., Wien 1905, S. 268.