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kurze Mitteilungen beschränken; auch dies weniger wegen des Ge-

winnes, der daraus zu erwarten ist, als zum augenscheinlichen Be-

weise dafür, wie sehr dieses Problem sonst vernachlässigt worden ist.

Wir treffen hier nämlich zumeist nur auf willkürliche und phanta-

stische Konstruktionen, denen gegenüber eine ernste Kritik über-

flüssig erscheint.

Zunächst sind die Lehren der organischen Schule, die ja in der

Soziologie seit Spencer eine große Rolle spielt, zu betrachten. Da ist

gleich bei H e r b e r t S p e n c e r bezeichnend, daß von einem

eigentlichen systematischen Versuche, die Gesellschaft in ihre ab-

strakten Teilinhalte zu zerlegen, kaum gesprochen werden kann.

Spencer gelangt, von den Individuen als den sozialen Einheiten

(Zellen) ausgehend, durch die Herantragung der Begriffe von Struk-

tur (Differenzierung) und Wachstum (Entwicklung) zu folgendem

System. Hinsichtlich der Struktur: Stand der Krieger, der Regie-

renden, der Produzierenden, des Handels und Verkehrs; hinsichtlich

des Wachstums: Stamm — Horde — Nation. Die Gesamtheit seiner

Systematik des Gesellschaftskörpers läßt sich nach L e o p o l d

v o n W i e s e folgendermaßen angeben: Familie — Staat (Politik)

— Religion und Kirche — Klassenbildung (Zeremoniell und Brauch

als Ausdruck derselben) — Volkswirtschaft — Gebilde der Kultur-

gemeinschaft: Sprache, Wissenschaft, Moral und Kunst

1

.

Unfruchtbarer noch als diese Systematik Spencers, die doch auch

wertvolle Abstraktionen enthält, sind die Einteilungen der strenge-

ren „Organiker", was zugleich dartut, wie die organische Analogie

diesem Problem gegenüber schließlich versagt hat. P a u l v o n

1

Vgl. L e o p o l d v o n W i e s e : Zur Grundlegung der Gesellschaftslehre,

eine kritische Untersuchung von Herbert Spencers System der synthetischen

Philosophie, Stuttgart 1906, S.

88

ff. Ober die systematische Anlage von Spencers

Soziologie äußert sich von Wiese folgendermaßen: „Man hat sich oft von der

äußeren Regelmäßigkeit und der planmäßigen Anlage der ganzen synthetischen

Philosophie' verführen lassen, in Spencer vor allem einen hervorragenden Sy-

stematiker zu sehen. Man wird ihm auch die Neigung und Fähigkeit zur Sy-

stembildung nach eklektischer Methode angesichts seines Lebenswerkes nicht

absprechen können. Es ist in seiner synthetischen Philosophie' ein gewaltiges

Ganzes vorhanden, das in aufeinanderweisende Teile zerlegt ist. Aber speziell

dem Systeme der Soziologie fehlt unseres Erachtens bisweilen die innere Not-

wendigkeit der Einteilung.“ (S. 92) — Auf von Wieses Darstellung der Spen-

cerschen Soziologie möchte ich als auf die beste, die wir haben, besonders hin-

weisen.

7*