109
z e l n e n i n d e r V i e l h e i t
1
, i s t d i e G e m e i n s c h a f t der
Menschen.
Da nun das Einzelleben ohne diese Gemeinschaft ein unlösbarer
Widerspruch ist, und da dennoch diese Gemeinschaft ... nicht durch
den Einzelnen hergestellt werden kann, sondern unabhängig von
seiner Willkür durch das Wesen der persönlichen Bestimmung als ein
absolut Notwendiges gegeben ist, so muß man dieselbe ebensowohl
wie den Einzelnen als eine s e l b s t ä n d i g e F o r m d e s L e -
b e n s überhaupt anerkennen. Das ist schwierig für den Verstand,
aber es ist durchaus notwendig. Es ist für uns zunächst gleichgültig,
ob man sich das Dasein der Gemeinschaft ... als entstanden aus dem
einzelnen, oder die einzelnen als hervorgehend aus der Gemeinschaft
denkt. Wir bleiben bei der Tatsache, daß dieselbe ein s e l b s t ä n -
d i g e s D a s e i n hat.
Diese Gemeinschaft nun . . . , aus dem Wesen der Persönlichkeit
heraus begriffen, kann in diesem ihrem selbständigen Dasein kein
der Persönlichkeit Ungleichartiges sein. Sie muß . . . s e l b e r e i n
p e r s ö n l i c h e s L e b e n sein. — Jedes persönliche Leben nun
... trägt in sich die Notwendigkeit ... seine Bestimmungen ...
durch sich selbst zu setzen. Die Kraft, welche diese Selbstbestim-
mung vollzieht, ist der W i l l e . . . Durch den Willen ist jedes per-
sönliche Leben in s i c h e i n e E i n h e i t . — Ist nun die Ge-
meinschaft ein selbständiges ... und ist sie ein persönliches ... Le-
ben, so muß sie ... einen s e l b s t ä n d i g e n W i l l e n haben.
— Ein solcher selbständiger Wille ist in dieser Gemeinschaft das, was
wir den S t a a t nennen ... (Der Staat ist) die als Wille und Tat
in ihrer Persönlichkeit auftretende Gemeinschaft der Menschen .. .“
2
Auf Grund dieser Entwicklung des Gemeinschafts- und Staats-
begriffes werden nun die beiden anderen Gebiete: Güterwesen und
Gesellschaft abgeleitet:
„Diesem Begriffe [des Staates] fehlt offenbar etwas ... Betrach-
ten wir den Inhalt des Begriffes von Wille und Tat so ist es klar,
daß der Wille an sich nur die Möglichkeit und Macht der Selbst-
bestimmung ... (ist). Zwischen diesen einzelnen [Selbstbestim-
1
Im Original nicht gesperrt.
2
Lorenz von Stein: Der Begriff der Gesellschaft und die soziale Geschichte der
französischen Revolution, 2. Aufl., Leipzig 1855, S. XIII—XV.