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121

daß gemeinsame Interessen einen eigenartigen Z u s a m m e n -

h a n g vieler Individuen hervorrufen, repräsentiert den wichtigsten

Kern und etwas bleibend Wertvolles von allen hierher gehörigen

Bestrebungen. Zwar hat jedes Interesse für sich seine eigenen Ge-

setze, aber darum kann es sich hier nicht handeln; sondern nur um

die a l l g e m e i n e n Gesetze der V e r b i n d u n g zum Zwecke

der Interessenverfolgung. Mohl hat dies allerdings selber nicht im-

mer streng genug auseinandergehalten. — Treitschke meint ferner:

„Daß die Gesellschaft ein eigentümlicher Bestandteil des mensch-

lichen Zusammenlebens sei, ist nicht nachgewiesen.“

1

Er hat damit

insofern recht, als das, was Mohl unter „Gesellschaft“ zusammen-

faßt, kein einheitliches, somit auch kein eigentümliches Phänomen

ist und also auch keiner einheitlichen Behandlung fähig ist;

— indessen bleibt zunächst mindestens jenes schon erwähnte

Moment der Massenverbindung als solche übrig; außerdem

sind es aber noch andere eigentümliche und wertvolle Momente,

welche dieser Abstraktion einer „Gesellschaft“ zugehören: wir ha-

ben sie oben bei der Kritik Steins schon entwickelt. — Treitschke

sieht den Grundfehler Mohls und Steins in einem zu engen Staats-

begriff. Nach Mohl ist der Staat „ein Organismus von E i n r i c h -

t u n g e n , welche eine Anzahl von . . . Persönlichkeiten zu einer

... Einheit verbindet“. Dies sei nicht richtig. Der Staat sei „ein

V o l k in seinem einheitlichen äußeren Zusammenleben“, die

„ e i n h e i t l i c h g e o r d n e t e G e s e l l s c h a f t s e l b s t “ ,

das „zu einer Gesamtmacht zusammengefaßte Volksleben“

2

. Dem-

gemäß brauche, meint Treitschke, nicht eine neue Wissenschaft ge-

gründet, sondern nur die bisherige Staatswissenschaft e r w e i t e r t

zu werden. Er sieht diese Erweiterung vor allem in der Vertiefung

der Disziplin der P o l i t i k , die überhaupt zur Hauptdisziplin

der Staatswissenschaft zu erheben sei

3

. — Somit erkennt also eigent-

lich Treitschke die neue Disziplin ihrem s t o f f l i c h e n Kerne

1

Heinrich von Treitschke: Die Gesellschaftswissenschaft, Ein kritischer Ver-

such, Leipzig 1859, S. 69.

2

Heinrich von Treitschke: Die Gesellschaftswissenschaft, a. a. O., S. 73 und

94. — Auf die Ähnlichkeit dieses Staatsbegriffes mit dem H e r b a r t ischen

(„Die durch Macht geschützte Gesellschaft“) sei hier ausdrücklich hingewiesen.

3

Vgl. Heinrich von Treitschke: Die Gesellschaftswissenschaft, a. a. O., S. 95

und 99.