122
nach zuletzt doch an! Die ganze Hilflosigkeit seiner Polemik beruht
darauf, daß er die methodischen oder gar erkenntnistheoretischen
Voraussetzungen des Problems überhaupt nicht beachtet und daher,
trotz vieler richtiger und feiner Bemerkungen, das Prinzipielle gar
nicht treffen kann
1
.
III.
Die Völkerpsychologie
Die Bestrebungen zur Begründung einer selbständigen Disziplin,
deren Aufgabe die Erkenntnis der spezifisch gesellschaftlichen geisti-
gen Phänomene wäre — Schäffle z. B. spricht von Erscheinungen
des Gesellschaftsbewußtseins im Gegensatze zu solchen des Gesell-
schaftskörpers — sind im einzelnen zumeist wenig bekannt. Es wäre
deshalb nicht richtig, einfach die auf unser Problem bezüglichen
Lehren herauszugreifen und abzuurteilen. Vielmehr erscheint es lei-
der notwendig, in gedrängter Kürze eine Gesamtdarstellung dieser
Bestrebungen zu geben, um so die wirkliche Berechtigung zu einer
Kritik zu schöpfen. Auch ist es sehr lehrreich, an dem Ganzen dieser
Gründungsbestrebungen zu beobachten, welche fundamentale Rolle
unser Problem der Verhältnisbestimmung der Objektivationssysteme
(beziehungsweise das allgemeine Problem des Gesellschaftsbegriffes)
hier wie in jeder sozialwissenschaftlich-methodologischen Erörterung
spielt.
A. Die ältere Völkerpsychologie
Die von M o r i t z L a z a r u s u n d H e y m a n n S t e i n t h a l
geforderte und versuchte „ V ö l k e r p s y c h o l o g i e “ kann als
der erste zielbewußt unternommene Versuch einer sozialen Psycho-
logie angesehen werden. Zwar findet sich in der Geschichte der So-
zialwissenschaften und der Philosophie in mannigfachen Formen
* 3 * 3
1
Ober die hiermit berührte staatswissenschaftliche Materie selbst sowohl
dogmengeschichtlich wie systematisch und über S t e i n vgl. auch G e o r g
J e l l i n e k : Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Berlin 1905, I. Buch, besonders
3. und 4. Kapitel. — Eine allgemeine Würdigung und Biographie Steins findet
sich bei C a r l T h e o d o r v o n I n a m a - S t e r n e g g : Staatswissenschaft-
liche Abhandlungen, Leipzig 1903, S. 41 ff. (besonders S. 47) und 57 ff.