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Spitze, weil alles Geschehene in der menschlichen Gesellschaft und durch sie ent-
weder zur Bildung von psychischen Vorgängen hinführt oder von denselben
ausgeht
1
.
Als Kritiker dieses Planes einer Völkerpsychologie sind hervor-
zuheben: Wilhelm Wundt und Hermann Paul, welch letzterer der
Kulturgeschichte jene Aufgabe vindizierte, welche die Begründer der
Völkerpsychologie der Teildisziplin der psychischen Ethnologie vor-
behielten
2
; und welcher die Völkerpsychologie wesentlich auf eine
Anwendung der Individualpsychologie auf das geschichtlich-gesell-
schaftliche Gebiet beschränken will.
Die Kritik W u n d t s , auf welche wir noch ausführlicher zurück-
kommen werden, richtet sich hauptsächlich gegen den Begriff des
Volksgeistes und die (zu umfassende) Ausdehnung des völkerpsy-
chologischen Gebietes. Er will die Objekte der Völkerpsychologie
auf Sprache, Mythus und Sitte beschränken.
Uns selbst kann es sich nur darum handeln zu beweisen, daß eine
aufs Einzelne gehende Kritik der Völkerpsychologie gar nicht not-
wendig ist: Lazarus und Steinthal vermochten ihr keine metho-
dische und keine gegenständliche Basis zu geben. Ihr Hauptbegriff,
der Begriff des Gesamt- oder Volksgeistes ist ein in Anlehnung an
H e r b a r t aus der A n a l o g i e m i t d e m i n d i v i d u a l e n
S e e l e n l e b e n aufgebauter Begriff. Er ist nicht nur in Kon-
struktion und Inhalt unwahr, sondern auch seiner gegebenen Be-
stimmtheit nach für den Aufbau einer Völkerpsychologie p r i n -
z i p i e l l unzulänglich. Denn die Analogie mit dem individuellen
Seelenleben kann niemals eine Völkerpsychologie als e i g e n -
a r t i g e Disziplin konstituieren; sie muß im Gegenteil von vorn-
herein grundsätzlich das verfehlen, was sie leisten soll: die Aufzei-
gung des S p e z i f i k u m s , welches das Sozial-Psychologische zum
Unterschiede vom Individual-Psychologischen (beziehungsweise von
1
Moritz Lazarus: Über Ideen in der Geschichte, in: Zeitschrift für Völker-
psychologie und Sprachwissenschaft, Bd 3, Berlin 1862, S. 37.
2
Vgl. H e r m a n n P a u l : Prinzipien der Sprachgeschichte, 2. Aufl., Halle
1886, Einleitung; dagegen E r n s t B e r n h e i m : Lehrbuch der historischen
Methode, 4. Aufl., Leipzig 1903, S. 608 f. — Ferner W i l h e l m W u n d t : Völ-
kerpsychologie, Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythos
und Sitte, Bd I/1, Leipzig 1900, S. 18 ff., welcher Pauls Einwand für den
Lazarusschen Begriff der Völkerpsychologie nicht unzutreffend findet. Ich selbst
halte diesen Einwand gleichfalls für grundsätzlich berechtigt.