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tischen Gedanken“, zu denen sie gekommen ist, sind meistens von

geringem Werte oder überhaupt unzulänglich und unfruchtbar.

Die vorstehende Argumentation gilt auch gegen S c h ä f f l e ,

B e r n h e i m , E u l e n b u r g u n d M ü n s t e r b e r g , welche

eine Sozialpsychologie in prinzipiell gleichartiger Weise, wenn auch

zum Teil mittels tieferer Abstraktionen, zu begründen versuchten.

B. Wilhelm Wundt

Nach W i l h e l m W u n d t ist das Programm, welches Lazarus

und Steinthal für die Völkerpsychologie aufgestellt haben, nicht des-

halb unzutreffend, weil es eine solche Wissenschaft mit selbständigen

Aufgaben nicht gibt, „sondern nur deshalb, weil jenes Programm zu

weit ist und daher die Scheidung der wissenschaftlichen Aufgaben

in ungeeigneter Weise bestimmt hat“

1

. Während nämlich Lazarus

und Steinthal die völkerpsychologische Forschung auf alle Erzeug-

nisse des gesellschaftlichen Lebens ausgedehnt wissen wollten, will

Wundt bis auf Sprache, Mythus und Sitte alle anderen Unter-

suchungsgebiete ausscheiden. Die Sonderstellung dieser Sozialgebilde

gründet sich hauptsächlich darauf, „daß die Entwicklung von

Sprache, Mythus und Sitte auf übereinstimmenden geistigen Kräften

beruht, deren Wirkungen auch in gewissen allgemeinen Zügen über-

einstimmen müssen“

2

. Sprache, Mythus und Sitte seien nämlich die

einzigen historischen Bildungen, bei welchen neben einer histori-

schen auch eine psychologische Untersuchung parallel gehen könne,

weil sich in ihnen gleichsam auf einer höheren Stufe die Elemente,

aus denen sich der Tatbestand des individuellen Bewußtseins zu-

sammensetzt, w i e d e r h o l e n . Nämlich „ d i e S p r a c h e ent-

hält die a l l g e m e i n e n F o r m e n der in dem Volksgeiste le-

benden Vorstellungen und die Gesetze ihrer Verknüpfung. Der

M y t h u s birgt den I n h a l t dieser Vorstellungen in seiner Be-

dingtheit durch Gefühle und Triebe. Die S i t t e endlich schließt die

1

W i l h e l m W u n d t : Ziele und Wege der Völkerpsychologie, in: Philo-

sophische Studien, Leipzig 1888, S. 11.

2

Wilhelm Wundt: Ziele und Wege der Völkerpsychologie, a. a. O., S. 20.