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finale Beschreibung der sozialen Wirklichkeit gegenüber g r u n d -
s ä t z l i c h am Platze ist, ob sie die natürlichen Aufgaben der So-
zialwissenschaft zu erfüllen vermag? Diese sachliche, materiale For-
derung kann sie eben, wie unsere Kritik nachwies, nicht erfüllen.
Der teleologische Formbegriff (in der Einheit des Wollens begrün-
det), auf den die finale Betrachtung allein geht, kann eben vom
Stoffe nichts in sich aufnehmen. Form und Stoff können daher (me-
thodisch) niemals zueinander kommen! Denn der Stoff müßte im-
mer schon geformt sein, um in eine Form eingehen zu können, das
heißt er müßte selber Form werden. Deswegen gibt es nur eine Er-
kenntnis der „Form“, die von der des Stoffes völlig abgetrennt ist;
das heißt mit anderen Worten: Die t e l e o l o g i s c h e (auf die
formale Einheit des Wollens gerichtete) E r k e n n t n i s d e s
V e r h ä l t n i s s e s v o n M i t t e l u n d Z w e c k k a n n n i e -
m a l s e i n e B e s c h r e i b u n g d e s k a u s a l e n S y s t e m s
d e r M i t t e l s e i n ; s i e k a n n ü b e r h a u p t k e i n e k a u -
s a l e n E l e m e n t e i n s i c h a u f n e h m e n
1
.
Von diesem unumstößlichen erkenntnistheoretischen Grundver-
hältnis her stammen die meisten der oben nachgewiesenen Wider-
sprüche in Stammlers Doktrin. Von daher stammt die stete wider-
spruchsvolle Einmengung kausaler Elemente in alle spezielleren Be-
griffe des Lehrgebäudes, von daher stammt die prinzipielle Unmög-
lichkeit einer wahrhaft selbständigen Disziplin von der „Materie“
des sozialen Lebens im Rahmen der Stammler’schen Methodologie.
Kurz der soziale Formbegriff kann an die wirklichen Tatsachen des
sozialen Lebens überhaupt nicht herankommen. Es folgt somit ge-
nerell, daß ein teleologischer Formbegriff zur Bildung eines Begrif-
fes des Sozialen nicht fruchtbar gemacht werden kann, in keiner
prinzipiellen Weise einen Begriff der Gesellschaft abzugeben vermag.
Damit ist es aber gegeben, daß s p e z i e l l e Ausgestaltungen und
habe zwar auch dort die methodische Selbständigkeit der kausalen gegenüber der
teleologischen Betrachtungsweise ausdrücklich anerkannt (vgl. z. B. S. 494 letzter
Satz und öfter), aber e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h die letztere auf die
erstere zurückzuführen versucht, was nicht zutreffend ist (vgl. S. 498 ff.). Dies hat
aber den eigentlichen k r i t i s c h e n Gedankengang, wie ersichtlich, faktisch
nicht im geringsten berührt.
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Ein tieferes erkenntnistheoretisches Verständnis dieses Verhältnisses werden
noch die Schluß-Bemerkungen dieses Buches vermitteln.