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Bearbeitungen des Formbegriffes [Forderung I a, b, c] überhaupt

nicht mehr gerettet werden können.

B. Paul Natorp

1

Die gleichen prinzipiellen Einwände wie gegenüber Stammler er-

geben sich der Kritik N a t o r p gegenüber. Natorp geht nämlich

von gleichen erkenntnistheoretischen Voraussetzungen aus und ge-

langt auch zu prinzipiell gleichen, wenn auch im einzelnen s e h r

erheblich abweichenden Ergebnissen wie Stammler. Er unternimmt

auch eine speziellere Zerlegung der Gesellschaft in Objektivations-

systeme. — Angesichts der ausführlichen Besprechung der prinzi-

piellen methodischen Fragen bei Stammler muß sich das Nachfol-

gende auf das Wichtigste beschränken:

Natorp findet einen P a r a l l e l i s m u s d e r F u n k t i o n e n

d e s i n d i v i d u e l l e n u n d s o z i a l e n L e b e n s .

In individual-ethischer Hinsicht unterscheidet Natorp in Anleh-

nung an Plato Trieb, Wille, Vernunft und die Tugenden derselben:

Tugend der Vernunft die Wahrheit; Tugend des Willens die Tapfer-

keit oder sittliche Tatkraft; Tugend des Trieblebens Reinheit oder

Maß; alle diese drei Tugenden ergeben durch ihre systematische, aus-

gleichende Beziehung auf die Gemeinschaft die Gerechtigkeit, die in-

dividuelle Grundlage der sozialen Tugend.

Im sozialen Leben spricht Natorp von einem sozialen Triebleben

oder sozialer A r b e i t , von einer Regelung dieses Trieblebens

durch einen sozialen W i l l e n und von einer wieder auf diese Re-

gelung sich beziehenden, für sie wegweisenden sozialen Tätigkeit der

praktischen Vernunft ( s o z i a l e V e r n u n f t ) . „Aus diesen

drei wesentlichen Stücken wird ein soziales Leben ... sich aufbauen.

Es ist diesem Begriffe zufolge: A r b e i t s g e m e i n s c h a f t unter

gemeinschaftlicher W i l l e n s r e g u n g , hinsichtlich dieser unter-

stehend gemeinschaftlicher vernünftiger K r i t i k . “

2

Als Ziel muß

1

Paul Natorp: Sozialpädagogik, Theorie der Willenserziehung auf der Grund-

lage der Gemeinschaft,

2

. Aufl., Stuttgart 1904. — Dasselbe schon früher unter

dem Titel: Grundlinien einer Theorie der Willensbildung, in: Archiv für systema-

tische Philosophie, herausgegeben von Ludwig Stein, Berlin 1895—97.

2

Paul Natorp: Sozialpädagogik, a. a. O., S. 151.