Table of Contents Table of Contents
Previous Page  203 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 203 / 9133 Next Page
Page Background

202

Es verbleibt als Problem dann nur, das Verhältnis der sozialen Kau-

salforschung zur sozialen Politik (Teleologie) herzustellen und in

dieser insbesondere das Verhältnis zur Ethik festzulegen, welcher die

Maßstäbe zur Beurteilung, die grundsätzlichen Ziele entnommen

werden müssen. Ebenso geht der teleologische „soziale Monismus“

in Brüche. Denn wenn die drei sozialen Grundbestandteile: Arbeit,

Willensregelung und soziale Kritik als bloß begrifflich abtrennbare

Seiten eines e i n h e i t l i c h e n s o z i a l e n G a n z e n aufgefaßt

werden sollen, so darf nicht an dem einen Pole die Kausalität, an

dem anderen die Teleologie gleichermaßen konstitutiv stehen. A k -

z i d e n t i e l l - methodisch können ja beide Gesichtspunkte neben-

einander bestehen, aber nicht p r i n z i p i e l l . Das Soziale als Na-

turbegriff darf eben nicht mit einem teleologischen Sozialbegriff be-

zeichnet werden

1

.

S. 260) scheint die unhaltbare Meinung zu vertreten, daß die teleologische Be-

trachtung der Gesellschaft „die kausale nicht ausschließt, sondern fordert“. Dies

ist nur in dem Sinne richtig, daß die empirische W i r k l i c h k e i t beide Be-

trachtungsarten zu ihrer erschöpfenden Kenntnis fordert. Ist aber eine davon

zum methodischen Prinzip des sozialwissenschaftlichen Denkens erhoben, so

schließt sie die andere als s p e z i f i s c h s o z i a l w i s s e n s c h a f t l i c h e

aus, Siegwart argumentiert: „Gerade weil hier die teleologische Auffassung nicht

bloß ein formales logisches Prinzip ist, sondern ihre Berechtigung darin hat, daß

der Staat nur durch bewußte von Zwecken geleitete Handlungen ... besteht, muß

gefragt werden, wie die (Individuen) zu solchen Zwecken kommen und wo die

Motive liegen, sie ... auszuführen, und der Staat und alle ähnlichen Einheiten

müssen ebenso als Gesamt W i r k u n g e n der nach psychologischen Gesetzen

denkenden, wollenden und handelnden Individuen begriffen werden.“ (a. a. O.,

S. 260) — Aber dieser Umstand: daß Zwecke nur kausal, psychologisch verwirk-

licht werden können, hat in methodisch - l o g i s c h e r Hinsicht prinzipiell

keine Bedeutung. Die Zweckbetrachtung ist für s i c h unvermengbar mit der

Kausalbetrachtung. Wäre daher das logische Wesen der Sozialwissenschaft in der

Betrachtung der Zweckreihen gelegen, so müßte ihr — wegen jener methodischen

Heterogenität — die Betrachtung der K a u s a l r e i h e prinzipiell stets fremd

bleiben.

1

Natorp sucht diesen Widerspruch allerdings durch Hinweis auf einen

„wurzelhaften Zusammenhang“ zwischen dem Kausalgesetz und dem Zweckgesetz

zu beheben. Die Erfahrung erwächst ihm auf derselben Grundlage, wie die Idee.

„Es ist dasselbe Grundgesetz der Bewußtseinseinheit, welches die Objektsetzung

der Erfahrung und die Zielsetzung des Willens regiert“ (Sozialpädagogik, a. a. O.,

S. 45). Und psychologisch betrachtet ist „das Prinzip der Einstimmigkeit des

Willens . . . dem der Einstimmigkeit des Denkens analog. Es gehört dazu nichts

weiter, als daß es ein Urteilen gibt, welches von Zeitbedingungen abstrahiert,

wovon das logische und mathematische Urteil unwidersprechliche Beweise geben“

(Sozialpädagogik, a. a. O., S. 49; ferner S. 78 ff., 200 ff. und öfter).