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d e r a u f g e h o b e n w i r d . Das spezifische Merkmal, die Eigen-
art des Sozialen kann nun folgerichtig nicht mehr in der gemeinsa-
men Richtung auf die I d e e n , nicht mehr in der äußerlichen Re-
gelung des Zusammenlebens (= Verbundensein der Menschen durch
gemeinsame Zwecke) gesehen werden. Denn sobald die kausale Be-
dingtheit des sozialen Lebens in die sozialwissenschaftliche Erkennt-
nis einbezogen werden soll, kann eben das S o z i a l e nicht mehr
bloß im Finalen (= Verhältnis von Mittel und Zweck) beschlossen
liegen, weil es nun ja auch die (kausale) Bestimmbarkeit oder Eig-
nung des Menschen ist, welche als unmittelbarer Bestandteil des so-
zialen Erscheinungsgebietes auftritt, und welche in der wissenschaft-
lichen Betrachtung derselben nicht fehlen darf. Die kausale Methode
spielt also nicht etwa eine sekundäre, eine Helferrolle, sondern eine
ganz grundsätzliche, ganz p r i m ä r e Rolle. Natorp selbst konsta-
tiert, „daß die soziale Regelung selbst alle Wirkung, die sie auf die
Arbeitsgemeinschaft ausübt, nur kraft der besagten materiellen Fak-
toren zu üben vermag. Sie s e l b s t faßt das Tun der Einzelnen
und die Vergemeinschaftlichung dieses Tuns als M i t t e l zum ge-
meinschaftlichen Z w e c k ins Auge, und das kann sie nur, indem
sie den Menschen als b e s t i m m b a r . . . ansieht, unbeschadet sei-
ner Selbstbestimmung..."
1
, das heißt Zwecksetzung vermag nicht
anders konkret zu werden, als durch k a u s a l e M i t t e l , durch
Realisierung im Naturzusammenhang (theoretische Naturerkennt-
nis). Das wäre ja richtig, aber es heißt auch weiter: Die Sozialwissen-
schaft ist trotzdem sowohl Lehre vom sozialen Zweckzusammenhang
wie vom sozialen Naturzusammenhang. Das ist unmöglich, denn
d a m i t s i n d z w e i e i n a n d e r a u s s c h l i e ß e n
d
e
M e r k m a l e i n d e n B e g r i f f d e s S o z i a l e n h i n e i n -
g e k o m m e n . Indem das Gebiet der sozialen Erscheinungswelt
nach der einen Seite hin als ein bestimmter K a u s a l k o m p l e x
abgesteckt wird, wird ja der Begriff des Sozialen als N a t u r b e -
g r i f f konstituiert und damit kann die finale Methode in ihm
offenbar nicht mehr die primäre sein: die Rollen werden vertauscht:
sie k a n n n u r m e h r a l s h e u r i s t i s c h e s P r i n z i p z u -
g e l a s s e n w e r d e n . Mit der „sozialen Teleologie“ ist es aus!
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1
Paul Natorp: Sozialpädagogik, a. a. O., S. 156 f.
2
Auch C h r i s t o p h S i g w a r t (Logik, Bd 2, 3. Aufl., Tübingen 1904,