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wie selbst der absurde Gedanke in der Geschichte immer wieder
rücksichtslos zu Ende gedacht wird. Es ist etwas Großes im Men-
schen, daß er bis zum äußersten Gipfel des Möglichen geht.
IL Der Machiavellismus oder die Machtlehre
Der Machiavellismus denkt wieder einen Gedanken zu Ende, und
das mit teuflischer Kälte. Im Altertum haben die Sophisten, in der
Renaissance hat Machiavelli diese Lehre ausgebildet
1
, nach dem
man sie füglich „Machiavellismus“ nennen darf. Der Grundgedanke
Machiavellis ist folgender: Der Starke gebrauche seine Freiheit, seine
Autarkie, so, daß er den Schwachen beherrsche. Der innere Aufbau
der Gesellschaft wäre danach der, daß sich die Stärkeren stufen-
weise über die Schwächeren setzen. Statt: „Mir geht nichts über
mich“, könnte man hier sagen: Ich unterjoche den, der schwächer
ist als ich. Das Wesen der Gesellschaft wäre hier also auf Unter-
jochung, auf Ausbeutung gestellt; ihr Lebensgesetz wäre der Sieg
des Starken über den Schwachen.
III. Das Naturrecht oder die Vertragslehre
Der Grundgedanke des Naturrechts ist uns schon bekannt. Der
Begriff des absoluten Einzelnen würde die Anarchie verlangen, die
aber wieder zum „Urzustand“, zum „Krieg aller gegen alle“ und
zur „Furcht aller vor allen“ führte. (Ob ein solches Leben im „Na-
turzustande“ geschichtlich wirklich angenommen oder nur rein be-
grifflich gefordert wird, ist für die Gesellschaftslehre nicht entschei-
dend; die geschichtliche Annahme wäre zwar unerwiesen und falsch,
es kommt aber zuletzt nur auf die logische Gültigkeit an.) Dieser
verworrene, herrschaftslose Zustand wird beseitigt durch einen Ver-
trag aller mit allen, den „Urvertrag“ in welchem sich die Menschen
gegenseitig Sicherheit und Eigentum gewährleisten, wodurch die
Gesellschaft gegenseitiger Hilfeleistung entsteht. Hier sind aber zwei
grundlegend wichtige Unterformen zu unterscheiden.
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Vgl. Nicolo Machiavelli: Il Principe, 1. Aufl., 1532 (ohne Ort); jetzt viel-
fach deutsch, z. B. Der Fürst, Reclams Universalbibliothek, Bd 1218/19.